Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
und seufzt. »Einen Moment lang war ich wirklich beunruhigt.«
Ich versuche das Zittern unter Kontrolle zu kriegen. »Nehmen Sie die Hände weg.«
Er zeigt mir, dass er Handschuhe trägt. »Keine Sorge, ich bin geschützt.«
»Ich hasse Sie.«
»So viel Leidenschaft.« Warner lacht wieder. Er sieht amüsiert aus, und sein Blick ist erstaunlich sanftmütig.
Ich drehe den Kopf weg.
Er steht auf, holt kurz Luft. »Hier«, sagt er und greift nach einem Tablett auf einem kleinen Tisch. »Ich habe dir etwas zu essen gebracht.«
Ich setze mich auf und schaue mich um. Ich liege auf einem Bett mit Damastwäsche in Gold und Burgunderrot, so dunkel wie Blut. Die Farbe des dicken weichen Teppichbodens erinnert an den Sonnenuntergang im Sommer. Es ist warm hier. Das Zimmer ist so groß wie meines und auch mit Bett, Schrank, Beistelltischen und einem Kristalllüster ausgestattet. Aber hier gibt es eine zusätzliche Tür, und auf einem kleinen Tisch in der Ecke brennt eine dicke Kerze. Ich weiß nicht mehr, wie viele Jahre ich kein Feuer gesehen habe. Am liebsten würde ich in die Flamme greifen.
Ich lehne mich an die Kissen, versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie angenehm das ist. »Wo bin ich?«
Warner wendet sich mir zu. In der einen Hand hält er einen Teller mit Brot und Käse, in der anderen ein Glas Wasser. Er schaut sich um, als wäre auch er zum ersten Mal hier. »Das ist mein Schlafzimmer.«
Ich würde am liebsten weglaufen, aber mein Kopf scheint zu bersten. »Bringen Sie mich in mein eigenes Zimmer. Hier will ich nicht sein.«
»Aber du bist nun mal hier.« Er setzt sich ans Fußende des Bettes und stellt den Teller vor mich. »Hast du Durst?«
Warners gegensätzliche Persönlichkeiten machen mich total konfus. Er bietet mir ein Glas Wasser an, nachdem er mich gezwungen hat, jemanden zu foltern. Ich hebe die Hände und betrachte meine Finger, als sähe ich sie zum ersten Mal. »Ich verstehe nicht.«
Er legt den Kopf schräg und betrachtet mich prüfend. »Ich habe dich nur gefragt, ob du Durst hast. Das sollte nicht so schwer zu verstehen sein.« Er hält inne. »Trink das.«
Ich nehme das Glas. Starre darauf. Starre Warner an. Starre an die Wand.
Offenbar bin ich nun doch verrückt geworden.
Warner seufzt. »Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, du bist in Ohnmacht gefallen. Und ich denke, du solltest etwas essen, obwohl ich mir da auch nicht ganz sicher bin.« Er verstummt und fährt dann fort: »Dein erster Tag war vermutlich zu anstrengend. Meine Schuld.«
»Wieso sind Sie jetzt so nett zu mir?«
Er sieht verwundert aus, was ich erstaunlich finde. »Weil ich dich mag«, sagt er dann nur.
»Sie mögen mich?« Die Benommenheit schwindet. Mein Blut beginnt zu brodeln, und Wut steigt in mir auf. »Ihretwegen habe ich Jenkins fast umgebracht!«
»Du hast Jenkins nicht –«
»Ihre Soldaten haben mich geschlagen! Ich werde hier gehalten wie eine Gefangene! Sie drohen mir, mich zu töten! Sie berauben mich meiner Freiheit und behaupten dann, Sie würden mich mögen ?« Ich würde ihm am liebsten das Glas ins Gesicht werfen. »Sie sind ein Monster !«
Warner dreht den Kopf beiseite. Faltet die Hände und denkt nach. Berührt dann seine Lippen. »Ich versuche nur dir zu helfen.«
»Lügner.«
Er überlegt. Nickt dann, nur einmal. »Ja. Meist trifft das zu.«
»Ich will nicht hier sein. Ich will nicht als Experiment benutzt werden. Lassen Sie mich frei.«
»Nein.« Er steht auf. »Ich fürchte, das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ich das nicht tun kann. Ich –« Er zupft an seinen Fingern. Räuspert sich. Schaut einen kurzen Moment zur Decke auf. »Weil ich dich brauche.«
»Um Menschen zu töten!«
Er antwortet nicht gleich. Geht zu der Kerze. Zieht einen Handschuh aus, spielt mit der Flamme. »Ich bin sehr wohl imstande, Menschen selbst zu töten, Juliette. Ich kann das sogar ziemlich gut.«
»Das ist ekelhaft.«
Er zuckt die Achseln. »Was glaubst du wohl, wieso jemand in meinem Alter so viele Soldaten befehligt? Und warum mein Vater mir die Verantwortung für einen ganzen Sektor übertragen hat?«
»Ihr Vater ?« Ich richte mich auf, neugierig wider Willen.
Er überhört meine Frage. »Die Mechanismen der Angst sind simpel. Die Menschen fürchten sich vor mir, also hören sie mir zu.« Er macht eine wegwerfende Handbewegung. »Mit leeren Drohungen kommt man heutzutage nicht mehr weit.«
Ich kneife die Augen zu. »Sie töten also Menschen um der Macht willen.«
»Genau
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