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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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um mich. »Was machen wir hier oben?«
    Warner lässt die Waffe in seine Tasche gleiten und geht zum gegenüberliegenden Rand. Bedeutet mir, dass ich ihm folgen soll. Ich trete vorsichtig näher. Blicke über die Mauer.
    Sämtliche Soldaten aus dem Gebäude stehen dort etwa 4 Meter unter uns.
    Stocksteif, in fast 50 Reihen. Ich frage mich, ob Adam unter ihnen ist. Ob er mich sehen kann.
    Frage mich, was er jetzt über mich denkt .
    Die Soldaten sind auf einem quadratischen Plateau versammelt, eine schwarze Masse: schwarze Hosen, schwarze Hemden, kniehohe schwarze Stiefel. Keine Waffe ist zu sehen, und jeder der Männer hat die linke Faust ans Herz gedrückt. Alle stehen stramm und rühren sich nicht.
    Schwarz und grau
    und
    schwarz und grau
    und
    schwarz und grau
    und
    öde.
    Plötzlich wird mir bewusst, wie unpraktisch ich gekleidet bin. Der Wind ist schneidend, kalt, schmerzhaft. Ich fröstle, aber das liegt nicht an der Kälte. Ich schaue zu Warner hinüber. Er steht an der Mauer, in einer einstudierten Pose. Zieht ein kleines perforiertes Metallstück aus der Tasche und drückt es an die Lippen. Als er spricht, ist seine Stimme verstärkt.
    »Sektor 45.«
    Ein Wort und eine Zahl.
    Die gesamte Gruppe gerät in Bewegung. Die linke Faust sinkt herab, die rechte wird an die Brust gedrückt, in perfektem Gleichklang. Wie eine gut geölte Maschine. Vielleicht würde ich das eindrucksvoll finden, wenn ich nicht so verängstigt wäre.
    »Wir haben heute zwei Punkte auf der Agenda.« Warners Stimme schallt durch die Luft: scharf, klar, unerträglich selbstsicher. »Der eine steht hinter mir.«
    Tausende Augen blicken in meine Richtung. Ich versuche nicht zusammenzuzucken.
    »Komm bitte her, Juliette.« Er beugt zwei Finger, beordert mich zu sich.
    Ich trete zögernd vor.
    Warner legt den Arm um mich. Ich zucke zusammen, und auch die Soldaten erschrecken sichtlich. Mein Herz beginnt zu rasen. Ich wage es nicht, mich von Warner zu entfernen. Die Pistole ist zu nah.
    Die Soldaten scheinen verblüfft zu sein, dass Warner mich anfasst.
    »Jenkins, würden Sie bitte vortreten?«
    Meine Finger zappeln auf meinem Oberschenkel. Ich kann nicht stillstehen. Mein Blut tost durch meinen Körper. Jenkins tritt vor.
    Er wirkt unversehrt.
    Großer Gott .
    Er lebt.
    »Jenkins hatte gestern Abend das Vergnügen einer Begegnung mit Juliette«, fährt Warner fort. Die Spannung der Männer ist fast greifbar. Niemand scheint zu ahnen, worauf diese Rede abzielt. Und offenbar kennt auch niemand Jenkins’ Geschichte. Meine Geschichte. »Ich hoffe, sie wird von allen hier mit gebührender Freundlichkeit empfangen«, sagt Warner mit freudlosem Grinsen. »Sie wird eine Weile bei uns sein und ist unseren Zielen sehr zweckdienlich. Das Reestablishment heißt sie willkommen. Ich heiße sie willkommen. Sie alle sollten sie willkommen heißen.«
    Die Soldaten lassen alle gleichzeitig die Faust sinken.
    Dann gehen sie 5 Schritte zurück, 5 Schritte vor und treten 5 Mal auf der Stelle. Reißen den linken Arm hoch, ballen die Hand zur Faust.
    Und fallen auf ein Knie.
    Ich reiße die Augen auf. So ein seltsames Spektakel habe ich noch nie zu Gesicht bekommen.
    Warner lässt die Soldaten in dieser Position verharren. Mindestens 30 Sekunden. Dann spricht er.
    »Gut.«
    Die Soldaten erheben sich und legen wieder die rechte Faust auf die Brust.
    »Der zweite Punkt ist noch vergnüglicher als der erste«, fährt Warner fort, wobei seine Stimme alles andere als vergnügt klingt. Er lässt den Blick über die Reihen gleiten. In seinen Augen glitzern Smaragdsplitter wie grüne Flammen. »Delalieu hat einen Bericht für uns.«
    Er starrt wortlos auf die Menge, lässt seine Worte in den Männern gären. Überlässt sie ihren Fantasien. Lässt die Schuldigen in Angst erzittern.
    Er schweigt endlos.
    Die Soldaten bleiben reglos.
    Trotz Warners Zusicherungen fürchte ich jetzt um mein Leben. Ich frage mich, ob der Bericht vielleicht von mir handelt. Ob die Pistole für mich bestimmt ist. Schließlich wage ich es, Warner anzusehen. Er wirft mir einen Blick zu, den ich nicht deuten kann.
    Abertausende von Möglichkeiten in seinen Augen.
    »Delalieu«, sagt er, ohne den Blick von mir zu wenden. »Treten Sie vor.«
    Ein dünner Mann mit Halbglatze und einigen Abzeichen auf der Uniform tritt in der fünften Reihe vor. Er scheint leicht zu wanken. Duckt leicht den Kopf. Seine Stimme ist unstet, als er spricht. »Sir.«
    Warner gibt meinen Blick frei und nickt nahezu

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