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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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unmerklich in die Richtung des Mannes.
    Delalieu schnarrt: »Wir erheben Anklage gegen den Gefreiten 45B-76423. Fletcher, Seamus.«
    Die Soldaten scheinen erstarrt, vor Angst, vor Erleichterung. Nichts regt sich. Nichts atmet. Sogar der Wind bleibt lautlos.
    »Fletcher.« Ein Wort von Warner, und Hunderte Köpfe wenden sich ruckartig in eine Richtung.
    Fletcher tritt vor.
    Rötliche Haare. Rötliche Sommersprossen. Rote Lippen, die beinahe künstlich wirken. Sein Gesicht ist komplett ausdruckslos.
    Ich habe mir noch nie im Leben um einen fremden Menschen solche Sorgen gemacht.
    Delalieu spricht weiter. »Gefreiter Fletcher wurde auf außerregulärem Gebiet entdeckt, wo er mit Zivilisten fraternisierte, die vermutlich der Rebellenpartei angehören. Er hatte gestohlene Lebensmittel und Vorräte einer Lagereinheit der Bürger von Sektor 45 bei sich. Wir wissen nicht, ob er geheime Informationen weitergegeben hat.«
    Warner richtet den Blick auf den rothaarigen Mann. »Streiten Sie diese Anklagen ab, Soldat?«
    Fletchers Nasenflügel beben. Er beißt die Zähne zusammen. Als er spricht, bricht seine Stimme. »Nein, Sir.«
    Warner nickt. Holt kurz Luft. Leckt sich über die Lippen.
    Und schießt Fletcher in die Stirn.

18
    Niemand rührt sich.
    Fletchers Gesicht ist von Grauen gezeichnet, als er zu Boden sinkt. Ich kann das alles nicht fassen, weiß nicht mehr, ob ich träume, ob ich ohnmächtig werden soll, ob ich sterbe.
    Fletcher liegt auf dem kalten Betonboden, mit seltsam verrenkten Gliedern. Eine Blutlache breitet sich aus, und noch immer rührt sich niemand. Niemand spricht. Niemand lässt sich Angst anmerken.
    Ich betaste meine Lippen, um zu spüren, ob ihnen Schreie entfahren sind.
    Warner verstaut die Pistole in seiner Jacke. »Sektor 45 abtreten.«
    Alle Soldaten fallen auf ein Knie.
    Warner verstaut auch den Stimmverstärker. Dann muss er mich mit sich ziehen, weil meine Füße wie festgeleimt sind. Meine Glieder sind kraftlos und schmerzen, mir ist übel und schwindlig, ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Versuche zu sprechen, aber die Worte kleben an meiner Zunge fest. Mir wird heiß und kalt, und vor meinen Augen flimmern Punkte.
    Warner versucht mich durch die Tür zu ziehen. »Du musst unbedingt mehr essen«, sagt er.
    Meine Augen sind weit aufgerissen, mein Mund, mein ganzer Körper, alles scheint voller Löcher zu sein.
    Bestimmt tropft Herzblut aus meiner Brust. Ich schaue an mir herunter, verstehe nicht, dass da kein Blut ist. Der Schmerz in meinem Herzen fühlt sich so echt an.
    »Sie haben ihn umgebracht«, flüstere ich. »Einfach umgebracht –«
    »Gut beobachtet.«
    »Warum haben Sie ihn getötet , einfach getötet, wie konnten Sie so etwas tun –«
    »Lass die Augen offen, Juliette. Du kannst jetzt nicht einschlafen.«
    Ich halte ihn an der Jacke fest. Ein Windstoß peitscht mir ins Gesicht, und ich bin plötzlich wieder bei Sinnen. Ich werfe mich auf Warner, dränge ihn an die Tür. »Sie ekeln mich an.« Ich starre ihm in die kalten Augen. »Sie sind so widerwärtig –«
    Er packt mich und presst jetzt mich gegen die Tür. Nimmt mein Gesicht in beide Hände, fixiert mich. Mein Gesicht in denselben Händen, mit denen er gerade einen Mann getötet hat.
    Ich sitze in der Falle.
    Festgenagelt.
    Panisch.
    Warners Daumen streicht über meine Wange.
    »Das Leben ist trostlos«, flüstert er. »Manchmal muss man zuerst schießen.«
    Er folgt mir in mein Zimmer.
    »Du solltest jetzt schlafen«, sagt er. Auf dem Weg hat er kein Wort gesprochen. »Ich werde dir Essen schicken lassen und dafür sorgen, dass du nicht gestört wirst.«
    »Wo ist Adam? Ist er in Sicherheit? Geht es ihm gut? Wird man ihn wieder misshandeln ?«
    Warner zuckt leicht zusammen, fasst sich aber rasch. »Warum willst du das wissen?«
    Weil Adam Kent mir schon seit der dritten Klasse am Herzen liegt . »Weil er mich doch bewachen soll. Und jetzt ist er nicht hier. Wollen Sie ihn auch umbringen?« Ich komme mir dumm vor. Aber deshalb bin ich auch mutig. Die Worte springen ohne Fallschirm aus meinem Mund.
    »Ich töte nur Menschen, wenn es nötig ist.«
    »Wie großzügig.«
    »Jedenfalls großzügiger als andere.«
    Mein bitteres Lachen ist nur für mich bestimmt.
    »Den Rest des Tages hast du frei«, sagt Warner. »Unsere eigentliche Arbeit beginnt morgen. Adam wird dich dann zu mir bringen.« Er schaut mir in die Augen. Unterdrückt ein Lächeln. »In der Zwischenzeit solltest du nach Möglichkeit niemanden

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