Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
unbewaffnet.
Ich durchwühle Adams Tasche, bis ich die beiden Pistolen gefunden habe. Nehme eine in jede Hand, für den Fall, dass eine nicht funktioniert. Zum Glück trage ich jetzt Kleidung, in der ich kämpfen kann. Ich hole tief Luft und versuche krampfhaft meine Hände ruhig zu halten.
Das Klopfen wird lauter.
Ich ziele auf die Tür.
»Juliette …?«
Ich fahre herum. Adam schaut von mir zur Tür, mit geweiteten Augen. Seine Haare sind nass. Er weist mit dem Kopf auf eine Pistole. Ich werfe sie ihm zu.
»Warner würde nicht klopfen«, sagt er, zielt aber auch auf die Tür.
Er hat recht. Warner würde das Schloss zerschießen, sich den Weg freibomben, zig Leute töten, um zu mir vorzudringen. Er würde gewiss nicht warten, bis ich ihm die Tür öffne. Ich beruhige mich ein bisschen, bleibe aber wachsam. »Was glaubst du, wer –?«
»Könnte Benny sein – sie schaut immer nach James –«
»Aber weiß sie nicht, dass er jetzt in der Schule ist?«
»Sonst weiß niemand, wo ich wohne –«
Das Klopfen wird schwächer. Langsamer. Ein gequältes Stöhnen ist zu hören.
Adam und ich starren uns an.
Ein kurzes Hämmern. Ein weiteres Stöhnen. Dann fällt etwas gegen die Tür.
Ich zucke zusammen.
Adam fährt sich durch die Haare.
»Adam!«, schreit jemand. Hustet. »Bitte, Mann, wenn du da bist –«
Ich erstarre. Die Stimme kommt mir vage bekannt vor.
Adam richtet sich auf. Schaut verblüfft auf die Tür. Gibt den Zahlencode ein und dreht den Knauf. Zielt auf den Spalt, als er die Tür vorsichtig aufzieht.
»Kenji?«
Ein Röcheln und ein unterdrücktes Ächzen. »Scheiße, Mann, wieso hat das so lang gedauert?«
»Was zum Teufel machst du hier?« Ein Klacken. Ich kann kaum etwas erkennen durch den Türschlitz, aber Adam wirkt alles andere als erfreut. »Wer hat dich hergeschickt? Wer ist bei dir?«
Kenji flucht unterdrückt. » Schau mich doch an «, sagt er, und es klingt verzweifelt. »Meinst du vielleicht, ich bin hier, um dich umzubringen?«
Adam zögert. Holt tief Luft. »Ich kann dir ohne weiteres eine Kugel in den Rücken jagen.«
»Nicht nötig, Bruder. Hab ich schon. Im Rücken. Oder im Bein. Oder irgendwo. Ich weiß es nicht mal.«
Adam öffnet die Tür ganz. »Steh auf.«
»Du kannst mich auch reinschleifen, macht mir nichts aus.«
Adam bewegt den Kiefer hin und her. »Ich will keine Blutflecken auf dem Teppich. Wegen meines Bruders.«
Kenji rappelt sich auf und kommt hereingestolpert. Ich hatte ihn nicht zu Gesicht bekommen, als er vor meiner Zimmertür stand. Und nun macht er gewiss nicht den besten ersten Eindruck. Seine Augen sind violett und zugeschwollen, und er hat einen tiefen Schnitt auf der Stirn. Seine Lippe blutet, und er keucht und kann sich kaum bewegen. Seine Kleidung ist zerfetzt. Sein Oberkörper ist nur von einem Trägerhemd bedeckt, und seine muskulösen Arme sind mit Blutergüssen und Schnitten übersät. Ich wundere mich, dass er nicht erfroren ist. Zuerst scheint er mich nicht zu bemerken. Als er mich schließlich entdeckt, bleibt er wie angewurzelt stehen.
Blinzelt. Dann tritt ein albernes Grinsen auf sein Gesicht, das durch seine Schmerzen zur Grimasse gerät. »Scheiße noch mal«, sagt er und glotzt mich an. »Das gibt’s doch nicht.« Er versucht zu lachen. »Ey, Mann, du spinnst doch total –«
»Da drüben ist das Bad.« Adams Miene ist versteinert.
Kenji humpelt Richtung Badezimmer, schaut sich aber dauernd um. Ich ziele auf seinen Kopf. Er lacht auf, zuckt zusammen, keucht ein bisschen. »Du bist mit dieser Irren abgehauen, Mann! Mit dieser Psychobraut! Ich dachte, den Scheiß hätten die erfunden. Was zum Teufel denkst du dir? Was willst du denn mit dieser Verrückten? Kein Wunder, dass Warner dich tot sehen will – au, Mann, was zum –«
»Sie ist nicht verrückt. Und auch nicht taub , du Arschloch.« Adam knallt die Tür hinter ihnen zu, und ich kann nur noch hören, dass sie sich irgendwie streiten. Ich habe den Eindruck, dass ich nicht mitkriegen soll, was Adam Kenji zu sagen hat. Oder ich soll die Schreie nicht hören.
Ich weiß nicht, was Adam da drin macht. Vermute aber, dass er die Kugel aus Kenjis Körper entfernt und so gut wie möglich seine Wunden versorgt. Adam hat einen gut ausgestatteten Erste-Hilfe-Koffer und starke ruhige Hände. Ich frage mich, ob er das bei der Armee gelernt hat. Damit er sich selbst verarzten kann. Oder seinen Bruder. Läge nahe.
Krankenversicherung war ein schöner Traum, der schon vor langer Zeit
Weitere Kostenlose Bücher