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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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Kräften mit. Ich muss beinahe lachen. Wäre es doch nur Magie, die mich so gemacht hat, wie ich bin.
    Ich möchte nicht, dass James glaubt, ich wolle ihm Adam wegnehmen.
    Die Morgenluft ist kühl. Ich lege mich wieder unter die Decke und warte ab. Meine Gedanken wandern zu Warner, und ich sage mir, dass wir keineswegs in Sicherheit sind. Noch nicht und vielleicht niemals. Ich muss mir bewusst machen, dass ich mich nicht zu sehr entspannen darf. Setze mich auf. Ziehe die Knie an die Brust, schlinge die Arme um die Knöchel.
    Sinne darüber nach, ob Adam einen Plan hat.
    Die Tür zu James’ Kammer öffnet sich quietschend. Die beiden Brüder kommen heraus, James zuerst. Er ist ein bisschen rot im Gesicht und wirkt verlegen. Kann mich kaum anschauen, und ich frage mich, ob Adam ihn irgendwie bestraft hat.
    Mir wird ganz flau.
    Adam drückt James die Schulter. »Alles okay?«
    »Ich weiß aber, was eine Freundin ist –«
    »Ich hab doch gar nichts andres behauptet –«
    »Du bist also seine Freundin ?« James verschränkt die Arme und schaut mich an.
    In meiner Luftröhre stecken Unmengen von Wattebällchen. Ich schaue Adam an, weil ich nicht weiß, was ich sonst tun könnte.
    »Hey, du solltest jetzt mal zur Schule aufbrechen.« Adam holt einen weiteren Alubehälter aus dem Kühlschrank. Darin befindet sich wohl James’ Frühstück.
    »Ich muss da nicht hin«, protestiert James. »Es ist keine echte Schule, da muss man nicht –«
    »Ich möchte aber, dass du gehst«, fällt Adam seinem Bruder ins Wort. Er lächelt ihn an. »Keine Angst, ich werde hier sein, wenn du wiederkommst.«
    James zögert. »Versprichst du’s?«
    »Ja.« Adam grinst. »Na, komm her.«
    James umschlingt Adam, als wolle er ihn für immer festhalten. Adam stellt den Behälter in den Automaten und drückt auf einen Knopf. Wuschelt James durch die Haare. »Du brauchst mal einen Haarschnitt, Kerlchen.«
    James rümpft die Nase. »Mir gefällt’s so.«
    »Bisschen lang, findest du nicht?«
    James sagt mit gedämpfter Stimme: » Sie hat echt lange Haare, finde ich.«
    James und Adam schauen beide zu mir, und ich berühre unwillkürlich meine Haare. Schaue unter mich. Ich hatte nie einen Grund, mir die Haare zu schneiden. Besaß nicht mal eine Schere. Keiner hat mir scharfe Gegenstände gegeben.
    Ich blicke scheu auf und sehe, dass Adam mich immer noch anschaut. James dagegen starrt auf den Automaten.
    »Ich mag ihre Haare«, sagt Adam in den Raum hinein.
    Ich sehe zu, wie Adam James beim Packen seiner Schulsachen hilft. Der kleine Junge ist so lebhaft, so voller Energie, so aufgeregt, dass sein Bruder bei ihm ist. Ich frage mich, wie es wohl sein mag, als Zehnjähriger ganz allein zu leben. Und wie die anderen Kinder in dieser Straße das schaffen.
    Ich würde gern aufstehen und mich anziehen, will aber das Badezimmer nicht in Beschlag nehmen, weil James oder Adam vielleicht noch reinmüssen. Ich will nicht noch mehr Raum einnehmen als ohnehin schon. Die Beziehung zwischen den beiden Brüdern ist so intensiv und innig. Eine solche Bindung hatte ich nie in meinem Leben, und ich werde sie auch niemals haben. Aber in der Nähe solcher Liebe zu sein hat die gefrorenen Teile in mir schmelzen lassen und in etwas Menschliches verwandelt. Ich fühle mich menschlich. Als könnte ich Teil dieser Welt sein. Als müsste ich kein Monstrum sein. Vielleicht bin ich wirklich keines.
    Vielleicht kann sich wirklich etwas ändern.

35
    James ist in der Schule, Adam in der Dusche, und ich starre auf eine Schale Müsli, die Adam mir hingestellt hat. Ich finde es schlimm, so etwas zu essen, während James die unidentifizierbare Substanz in den Aluschalen zu sich nehmen muss. Aber Adam sagt, James bekommt diese Rationen zugeteilt, und er ist gesetzlich verpflichtet, sie zu essen. Wenn herauskommt, dass er sie wegwirft, könnte er dafür bestraft werden. Alle Waisen müssen die Fertigkost aus ihrem Automaten zu sich nehmen. Und James sagt, sie schmecke »gar nicht so schlecht«.
    Ich fröstle ein bisschen in der kühlen Morgenluft und streiche mir über die Haare, die noch feucht sind vom Duschen. Es gibt kein heißes oder warmes Wasser hier, nur eiskaltes. Warmes Wasser ist Luxus.
    Jemand klopft an die Tür.
    Ich springe auf.
    Panisch.
    Kopflos.
    Hilflos.
    Mein einziger Gedanke ist: Sie haben uns gefunden . Mein Magen ist eine wabblige Masse, mein Herz ein tobender Specht, mein Blut ein Strom der Angst.
    Adam ist in der Dusche.
    James ist in der Schule.
    Ich bin

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