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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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mich, wie er es noch nie zuvor gewagt hat, und er zieht mir gerade das T-Shirt aus, als wir die Tür quietschen hören und beide erstarren.
    »Adam …?«
    Er ringt um Atem. Sinkt auf das Kissen neben mir, aber ich spüre noch seine Hitze, seinen Körper, seinen Herzschlag. Verschlucke eine Million Schreie. Adam richtet sich ein bisschen auf. Versucht normal zu klingen. »James?«
    »Kann ich bei euch schlafen?«
    Adam setzt sich auf. Er atmet heftig, ist aber plötzlich hellwach. »Na klar, kannst du.« Er zögert. Seine Stimme wird sanft. »Hast du schlecht geträumt?«
    James antwortet nicht.
    Adam springt auf.
    Ich höre ersticktes Schluchzen, sehe Adams Silhouette, als er seinen Bruder in die Arme nimmt. »Du hast doch gesagt, es sei besser geworden«, flüstert er, aber es klingt mitfühlend, nicht vorwurfsvoll.
    James antwortet etwas, das ich nicht verstehe.
    Adam hebt James hoch. Der Junge sieht so klein aus in Adams Armen. Die beiden verschwinden in der Kammer und kommen mit Bettzeug wieder heraus. Erst als James neben Adam liegt und von ihm zugedeckt wird, übermannt den Jungen die Erschöpfung. Sein tiefes Atmen ist der einzige Laut im Raum.
    Adam wendet sich mir zu. Ich bin still und starr, erschüttert und tief getroffen von diesem Erlebnis. Ich weiß nicht, was James mit seinen zehn Jahren schon durchlitten hat. Ich weiß nicht, was Adam durchgemacht hat, als er ihn zurücklassen musste. Ich weiß nicht mehr, wie Menschen leben. Wie sie überleben.
    Ich weiß nicht, was aus meinen Eltern geworden ist .
    Adam streichelt meine Wange. Zieht mich in seine Arme. Sagt »Tut mir leid«. Ich küsse ihn.
    »Der richtige Zeitpunkt wird kommen«, sage ich.
    Er schluckt. Atmet an meinem Hals. Seine Hände tasten über meine Haut, gleiten über meinen Rücken.

34
    Adam und ich haben uns in dieser Nacht gezwungen, einen Meter Abstand zwischen uns zu lassen, aber als ich aufwache, liege ich in Adams Armen. Er atmet ruhig und leise, ein sachtes Surren in der Morgenluft. Ich blinzle ins Licht und blicke in die großen blauen Augen eines zehnjährigen Jungen.
    »Wieso kannst du ihn anfassen?« James steht mit verschränkten Armen vor uns, blickt ein wenig trotzig. Keine Spur von Angst oder Tränen, als habe es den Vorfall letzte Nacht nicht gegeben. » Also? « Seine Ungeduld schreckt mich auf.
    Ich lasse Adam so hastig los, dass er aufwacht.
    Er greift nach mir. »Juliette …?«, murmelt er schlaftrunken.
    »Du fasst ein Mädchen an!«
    Adam fährt so abrupt hoch, dass er sich in der Decke verheddert und auf seine Ellbogen zurückfällt. »Großer Gott, James –«
    »Du schläfst neben einem Mädchen !«
    Adam öffnet mehrmals den Mund und klappt ihn wieder zu. Schaut mich an, dann seinen Bruder. Schließt die Augen und seufzt. Fährt sich durch die zerzausten Haare. »Ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll.«
    »Du hast doch gesagt, sie kann niemanden anfassen.« James starrt mich misstrauisch an.
    »Das stimmt auch.«
    »Nur dich?«
    »Genau. Nur mich.«
    Und Warner .
    »Sie kann niemanden anfassen, nur dich.«
    Und Warner .
    »So ist es.«
    »Wie außerordentlich passend .« James verengt die Augen.
    Adam lacht. »Wo hast du diesen Ausdruck gelernt?«
    James runzelt die Stirn. »Benny sagt das ganz oft. Dass meine Ausreden ›außerordentlich passend‹ sind.« Er macht Anführungszeichen in die Luft. »Es heißt: Das glaub ich dir nicht. Und ich glaub dir auch nicht.«
    Adam steht auf. Die Morgensonne scheint durch die kleinen Fenster, im richtigen Winkel, im richtigen Moment. Taucht seinen sehnigen Körper in Gold. Mein Blick ruht auf seinen Lenden über der tief sitzenden Hose, und ich muss mich zwingen, klar zu denken. Ich bin schockiert über diesen Verlust an Selbstkontrolle, aber ich weiß nicht, wie ich mit meinen Gefühlen umgehen soll. Adam erzeugt einen Hunger in mir, der mir vollkommen fremd ist.
    Er legt seinem Bruder den Arm um die Schultern und geht in die Hocke, um auf einer Höhe mit ihm zu sein. »Kann ich mal mit dir reden?«, sagt er. »Unter vier Augen?«
    »Nur wir beide?« James wirft mir einen Seitenblick zu.
    »Ja. Nur wir beide.«
    »Geht klar.«
    Ich schaue den beiden nach, als sie in James’ Kammer verschwinden, und frage mich, was Adam seinem Bruder sagen will. Dann begreife ich, dass James sich durch mein plötzliches Auftauchen bedroht fühlen muss. Nach sechs Monaten sieht er endlich seinen Bruder wieder, und dann bringt der ein seltsames Mädchen mit verrückten magischen

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