Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
Gebäude zu, tritt die Tür auf und schreit, dass wir ihm folgen sollen.
»Du musst hierbleiben«, sagt er zu Kenji. »Das hört sich verrückt an, aber ich muss James bei dir lassen. Du musst dich um ihn kümmern. Die suchen Juliette und mich. Mit euch rechnen die gar nicht.«
»Was wollt ihr tun?«, fragt Kenji.
»Ich muss irgendwo einen Wagen auftreiben. Dann holen wir euch ab.« James protestiert nicht, als Adam ihn absetzt. Die Lippen des Jungen sind weiß, seine Augen weit aufgerissen. Seine Hände zittern. »Ich hol dich bald ab, James«, sagt Adam. »Versprochen.«
James nickt heftig. Adam küsst ihn schnell und fest auf den Kopf. Stellt unsere Taschen ab. »Wenn ihm irgendwas zustößt, bring ich dich um«, sagt er zu Kenji.
Kenji grinst nicht. Er sieht auch nicht wütend aus. Holt nur tief Luft. »Ich sorge für ihn.«
»Juliette?«
Adam fasst mich an der Hand, und wir rennen wieder auf die Straße hinaus.
38
Auf den Straßen wimmelt es von flüchtenden Menschen. Adam und ich haben unsere Pistolen im Hosenbund versteckt, aber unsere gehetzten Blicke scheinen uns zu verraten. Die Leute weichen uns aus, rennen davon, schreien entsetzt, lassen Sachen fallen. Ein Auto entdecken wir nirgendwo. Autos scheint es in dieser Gegend nicht zu geben.
Adam reißt mich zu Boden, als eine Kugel an meinem Kopf vorbeipfeift. Er schießt eine Tür auf, wir rennen in ein halb verfallenes Gebäude, offenbar einstmals ein Kleiderladen, suchen verzweifelt den Ausgang. Dicht hinter uns Schüsse und Schritte. Es müssen an die hundert Soldaten sein, die uns verfolgen, aufgeteilt in Gruppen und allesamt bereit, uns zu töten.
Aber ich weiß, dass sie nicht mich töten werden.
Sondern Adam.
Ich bleibe so dicht wie möglich bei ihm, weil ich mir sicher bin, dass Warner mich lebend haben will. Aber das ist nicht einfach, weil Adam viel größer und breiter ist als ich. Ein guter Schütze könnte ihn mühelos erschießen.
Vor meinen Augen.
Er dreht sich um und feuert zweimal. Auf den zweiten Schuss ist ein halb erstickter Schrei zu hören. Wir rennen weiter.
Adam spricht nicht. Er sagt nicht, dass ich tapfer sein muss. Fragt mich nicht, ob ich Angst habe, ob ich klarkomme. Spricht mir keinen Mut zu. Sagt mir nicht, dass ich ihn zurücklassen und mich selbst retten soll. Dass ich für seinen Bruder sorgen soll, falls er stirbt.
Das ist nicht nötig.
Wir wissen Bescheid über unsere Lage. Adam könnte jeden Moment sterben. Ich könnte jeden Moment gefangengenommen werden. Dieses Gebäude könnte jeden Moment in die Luft fliegen. Kenji und James könnten entdeckt worden sein. Wir könnten alle heute sterben. Das ist uns beiden klar.
Aber wir wissen auch, dass wir nicht aufgeben dürfen.
Weiterlaufen ist unsere einzige Chance.
Meine Hand am Pistolengriff ist schweißnass, aber ich lasse nicht locker. Meine Beine schmerzen höllisch, doch ich treibe sie weiter an. Meine Lunge sprengt meinen Brustkorb, aber ich zwinge mich zu atmen. In Bewegung bleiben. Keine Zeit für menschliche Schwächen.
Wir finden den Notausgang nicht. Unsere Schritte hallen auf den Steinböden, unsere Augen suchen im dämmrigen Licht nach irgendeiner Tür, die auf die Straße führt. Das Gebäude ist riesig, mit vielen Gängen. Es muss ein Lagerhaus gewesen sein, kein Geschäft. Adam duckt sich hinter einen Tisch, zieht mich mit sich.
»Sei nicht blöde, Kent – wir erwischen dich früher oder später«, schreit jemand, keine 3 Meter entfernt.
Adam schluckt. Beißt die Zähne zusammen. Mit den Männern, die ihn jetzt umbringen wollen, hat er zusammengewohnt. Exerziert. Gegessen. Er kennt sie. Ich frage mich, ob ihn das jetzt bremst.
»Gib uns das Mädchen«, ist eine andere Stimme zu hören. »Dann verschonen wir dich. Wir sagen, wir hätten dich verloren. Wir lassen dich davonkommen. Warner will nur das Mädchen.«
Adam atmet heftig. Umklammert seine Pistole. Richtet sich kurz auf und schießt. Jemand fällt schreiend zu Boden.
» KENT , DU DRECKS –«
Adam nutzt den Moment zur Flucht. Wir rennen los, in ein Treppenhaus. Ein Schuss verfehlt uns nur um Millimeter. Ich frage mich, ob die beiden Soldaten die einzigen sind, die sich in diesem Gebäude aufhalten.
Die Wendeltreppe führt nach unten in einen Keller. Immer wieder gibt jemand Schüsse ab, aber wir bewegen uns zu schnell. Unser Verfolger brüllt Flüche.
Adam stößt Möbel um, versucht den Soldaten zum Stolpern zu bringen, ihn abzulenken. Ich entdecke Sturmschutztüren, offenbar
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