Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
den Kopf. »Unfassbar, wie jemand so gut aussehen und sich so falsch anfühlen kann. Kent hat echt Schwein.«
»Verzeihung –« Der Psychologe steht auf. »War’s das jetzt mit euch beiden?« Er schaut Kenji an. »Gibt es sonst noch was?«
Kenji stößt sich von der Wand ab. Richtet sich auf. »Ja. Castle möchte sie sehen.«
44
»Jetzt sofort?«, fragt der Psychologe verwirrt. »Aber ich bin mit der Befragung noch nicht fertig.«
Kenji zuckt die Achseln. »Er will sie aber kennenlernen.«
»Wer ist Castle?«, frage ich.
Der Psychologe und Kenji schauen mich an. Kenji wendet den Blick ab. Der Psychologe nicht.
»Hat Kenji Ihnen nicht erzählt, wo Sie hier sind?«
»Nein«, antworte ich unsicher. Schaue Kenji an, der seine Füße betrachtet. »Er hat uns überhaupt nichts erklärt. Hat nur gesagt, dass er jemanden kennt, der uns helfen kann, und von einem sicheren Ort weiß –«
Der Blonde fängt so heftig zu lachen an, dass er sich fast verschluckt. Dann steht er auf und putzt mit dem Saum seines Pullovers seine Brille. »Du bist doch echt ein Arsch«, sagt er zu Kenji. »Wieso hast du ihr nicht die Wahrheit gesagt?«
»Weil sie dann niemals mitgekommen wäre.«
»Woher willst du das wissen?«
»Sie hat mich beinahe umgebracht –«
Ich schaue zwischen den beiden Männern hin und her. »Was ist hier los?«, frage ich wütend. »Ich will Adam sehen. Ich will James sehen. Und ich will was zum Anziehen –«
»Du bist nackt?« Kenji mustert ungeniert das Laken.
Ich erröte, verwirrt und verunsichert. »Blondie hat behauptet, meine Kleider seien vernichtet worden.«
» Blondie ? «, sagt der Psychologe pikiert.
»Sie haben sich nicht vorgestellt.«
»Winston. Ich heiße Winston.« Das Lächeln ist verschwunden.
»Sagten Sie nicht, Sie hätten einen Spezialanzug für mich?«
Er runzelt die Stirn. Schaut auf seine Uhr. »Das werden wir zeitlich nicht mehr schaffen.« Er seufzt. »Hol ihr irgendwas Provisorisches, okay?«, sagt er zu Kenji, der mich jetzt unverwandt anstarrt.
»Ich will Adam sehen.«
»Er ist noch nicht in der Verfassung dafür.« Blondie Winston steckt seinen Stift weg. »Wir sagen Ihnen Bescheid, wenn es so weit ist.«
»Wie soll ich Ihnen vertrauen, wenn ich nicht mal Adam sehen darf? Und James? Und nicht mal das Nötigste habe? Ich will aus diesem Bett raus, und ich will Kleider.«
»Hol ihr was, Moto.« Winston rückt seine Armbanduhr zurecht.
»Ich bin nicht dein Apportierhund, Blondie «, knurrt Kenji. »Und ich hab schon mal gesagt, dass du mich nicht Moto nennen sollst.«
Winston massiert seinen Nasenrücken. »Aha. Dann werde ich Castle wohl sagen müssen, dass es dein Fehler ist, wenn sie nicht kommt.«
Kenji murmelt irgendetwas Unflätiges. Marschiert raus und knallt die Tür hinter sich zu.
Wir schweigen beide. Die Stimmung ist angespannt.
Ich hole tief Luft. »Was bedeutet denn ›Moto‹?«
Winston verdreht die Augen. »Nichts. Das ist nur ein Spitzname – Kenji heißt mit Nachnamen Yamamoto. Regt sich furchtbar auf, wenn wir ihn abkürzen. Da ist er zartbesaitet.«
»Und wieso machen Sie das?«
Winston schnaubt. »Weil der Name schwer auszusprechen ist.«
»Das ist doch kein Grund.«
Er runzelt die Stirn. »Wie bitte?«
»Sie haben sich aufgeregt, als ich Sie Blondie genannt habe. Wieso darf er nicht wütend sein, wenn Sie ihn Moto statt Kenji nennen?«
Er murmelt irgendwas, das sich wie »Ist nicht das Gleiche« anhört.
Ich lasse mich aufs Kissen zurücksinken. »Seien Sie kein Heuchler, Winston.«
45
In den riesigen Klamotten komme ich mir vor wie ein Clown. Ich trage T-Shirt, Pyjamahosen und Slipper irgendeines Mannes. Kenji sagt, auch die Kleider aus meiner Tasche mussten vernichtet werden. Ich habe keine Ahnung, wessen Sachen ich momentan trage, aber ich verschwinde fast darin.
Ich versuche das T-Shirt zusammenzuknoten, aber Kenji fällt mir in den Arm. »Du machst mein T-Shirt kaputt«, beklagt er sich.
Ich lasse die Hände sinken. »Du hast mir Klamotten von dir gegeben?«
»Ja, was dachtest du denn? Wir haben hier keine Kleidchen rumliegen.« Sein Blick besagt, dass ich ihm gefälligst dankbar sein soll.
Nun gut. Jedenfalls besser, als nackt zu sein. »Wer ist jetzt also Castle?«
»Der Oberboss«, erklärt Kenji. »Der gesamten Bewegung.«
Ich starre ihn an. » Bewegung? «
Winston seufzt. Er wirkt enorm angespannt, und ich frage mich, warum. »Wenn Kenji Ihnen noch nichts erzählt hat, sollten Sie vermutlich warten, bis Sie alles
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