Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
ihrer Post und ihren Prozessunterlagen bei sich.
Wieder einmal mussten wir das Kunststück bewältigen, die hohe Stufe zu dem Gefangenentransporter mit aneinandergefesselten Füßen hochzuklettern. Die Enge in diesem Fahrzeug wirkte beängstigend und beklemmend. Uns gegenüber aber saßen drei Mitgefangene, die offenkundig bester Stimmung waren: Auch sie, so erfuhren wir bald, wurden ins FDC Miami verlegt, und deshalb hatten sie so gute Laune.
«Kennt ihr das FDC Miami?», fragte Andreas B., «ist das Essen dort besser?»
Die drei brachen in schallendes Gelächter aus.
«Der Unterschied zwischen diesem Jail hier und dem Knast dort ist ungefähr so wie zwischen einer Jugendherberge und dem Four Seasons» ,erklärte einer von ihnen, nachdem sie sich etwas beruhigt hatten. Ich überlegte kurz, was er meinte, bis mir klar wurde: Er sprach von einem Luxushotel.
Wir fuhren aber tatsächlich erst mal zum court. Dort mussten wir aussteigen und wieder einmal in einer holding cell warten. Kaum eine Dreiviertelstunde später holte uns ein komfortabler, gutgepolsterter Van ab; ein Auto mit ganz normaler Bankhöhe und vollem Fensterblick nach draußen. Fahrer und Beifahrer waren zwei ältere Herren in Privatkleidung, die uns beim Einsteigen behilflich waren. Niemand schrie herum, alles lief ruhig und freundlich ab. So weich hatte ich seit fünf Wochen nicht mehr gesessen. Für ein paar Augenblicke fühlte ich mich, trotz meiner Fesseln, tatsächlich wie ein Fahrgast in einem Hotelbus. Draußen schien die Sonne, während wir durch die von Palmen gesäumten Straßen von Fort Lauderdale nach Miami rollten.
Ich war froh über diese Verlegung; ich hatte sie ja selbst beantragt. Aber natürlich machte ich mir in diesem Moment Sorgen um meine Briefe und persönlichen Unterlagen, die ich im Broward County Jail zurückgelassen hatte. Und ich lernte zum ersten Mal das Gefühl kennen, das von nun an jede meiner Verlegungen begleiten würde: Angst. Im Broward County Jail war es furchtbar, aber jedenfalls kannte ich die Verhältnisse und die Menschen dort inzwischen ein bisschen. Jetzt kam eine neue Situation auf mich zu, der ich nicht ausweichen konnte. Und das war überhaupt kein gutes Gefühl.
Das Federal Detention Center Miami liegt nur drei Blocks von der Küste und dem bayside marketplace mit seinen schicken Shopping-Centern entfernt. Auf dem Foto, mit dem das Federal Bureau of Prisons diese Einrichtung im Internet präsentiert ( www.bop.gov/locations/institutions/mim/index.jsp ), ragen malerisch Palmen ins Bild. Das Hochhaus wirkt beinahe wie eins der nahe gelegenen Business- und Ferienhotels, wie das Holiday Inn oder das Continental im Hafen von Miami.
Gemessen an den Verhältnissen, die ich während meiner ersten fünf Wochen in amerikanischer Haft erlebt hatte, war der Vergleich mit dem Four Seasons nachvollziehbar. Ich war tatsächlich in einem der Luxus-Resorts der amerikanischen Knastlandschaft angekommen.
Das galt allerdings nicht für den Empfang. Noch einmal erlebte ich die volle Prozedur, die ich nach meiner Verhaftung durchlaufen hatte: Mir wurde wieder einmal alles abgenommen, was ich am Leib hatte. Mein Körper wurde nach allen Regeln der Kunst inspiziert. Und vor allem musste ich stundenlang irgendwo herumsitzen und warten.
Alles, was wir am Leib hatten, kam in die Tonne. Wir fingen wie Neugeborene von vorne an. Unterhose, Strümpfe, T-Shirt, Overall, Plastiklatschen: Alles, was sie uns verpassten, war viel zu groß. «Take it easy», vertröstete mich einer der guards, der meine Verzweiflung bemerkte, «morgen bekommt ihr eure eigene Wäsche.»
Als federal prisoner war ich im Broward County Jail quasi nur Logiergast gewesen. Nun war ich also in einem Bundesgefängnis untergebracht, einer der Einrichtungen, die das nationale Bureau of Prisons für all jene Inhaftierten vorhält, gegen die nach Bundesgesetzen ermittelt und geurteilt wird. Maßgeblich für diese Unterscheidung ist nicht die Schwere der Straftat, sondern – vereinfacht ausgedrückt – die Frage, ob zu ihrer Begehung Ländergrenzen überschritten wurden, und sei es auch nur in Form finanzieller Transaktionen.
Die Zwei-Mann-Zelle, die man mir zuwies, war etwa acht Quadratmeter groß. Das übliche Interieur kannte ich ja schon, aber neben dem Doppelstockbett gab es hier immerhin einen kleinen Metallschrank für jeden Bewohner und eine etwas längere Schreibplatte, die sich unmittelbar an den Waschtisch anschloss. Diesen Platz hatte mein
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