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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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rechtmäßigen Anspruch hat. Aber genau das war bei mir doch der Fall! Ich hatte ein vollstreckbares Urteil des Hamburger Landgerichts in meiner Tasche gehabt, als ich zu Carl F. nach Florida fuhr!
    Ich lernte allerdings noch mehr über die Definition des Begriffes Erpressung in der amerikanischen Rechtsprechung, und das war weniger beruhigend. Selbst die Androhung einer gerichtlichen Klage – etwas, was ich in meiner anwaltlichen Praxis jeden Tag getan hatte – konnte hier offenbar im Zweifelsfall als Erpressung gewertet werden. Das zeigte mir der Fall von James Scott Pendergraft.
    Der farbige Arzt war ein streitbarer Betreiber mehrerer Abtreibungskliniken in Florida, ein Kämpfer der Bewegung für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Insbesondere um seine Klinik in Ocala im Marion County gab es Ende der neunziger Jahre heftige Konflikte: Die Mitarbeiter und Patientinnen des medizinischen Zentrums wurden immer wieder von Anti-Abtreibungs-Demonstranten bedroht und belästigt. Pendergraft machte sich zu Recht Sorgen: In Florida waren bereits zwei seiner Kollegen von radikalen Abtreibungsgegnern ermordet worden. Die Klinik seines Vorgängers in Ocala war 1989 nach einem Anschlag bis auf die Grundmauern abgebrannt, die Tat nie aufgeklärt worden. Pendergrafts Geschäftspartner Michael Spielvogel hatte schon vor der Klinikeröffnung von einem Kommunalpolitiker zu hören bekommen, es sei keine Frage, ob ein Bombenanschlag auf das Zentrum verübt würde, sondern nur wann.
    Dennoch weigerte sich der Sheriff von Marion County, das Haus unter Polizeischutz zu stellen. Er verbot seinen Mitarbeitern sogar, außerhalb ihrer Dienstzeiten als Wachdienst für die Klinik zu arbeiten, ein Service, den andere Geschäftsleute durchaus in Anspruch nehmen konnten. Pendergraft, der nur noch mit kugelsicherer Weste und Helm zur Arbeit fuhr, beschloss schließlich, die Regierung von Marion County zu verklagen: weil sie seinen Patientinnen und Mitarbeitern den notwendigen Schutz verweigere und ihm den Betrieb seiner Klinik praktisch unmöglich mache. Daraufhin bot ihm ein Vertreter des Countys an, sein Klinikgebäude zu kaufen. Der Arzt erklärte sich zu einer Verkaufsverhandlung bereit, natürlich nicht ahnend, dass das Gespräch vom FBI heimlich aufgezeichnet wurde.
    Als man dem Arzt in dieser Sitzung einen lächerlich geringen Kaufpreis anbot, platzte ihm der Kragen: Er werde das County verklagen und damit in den Bankrott treiben, brüllte er. Und sich selbst würde er aus dem Gewinn ein Denkmal errichten lassen.
    Das war in den Augen des FBI und der Staatsanwaltschaft eine klare und vor allem illegale Drohung. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Michael Spielvogel wurde Pendergraft der conspiracy to commit extortion beschuldigt, der Verschwörung, um eine Erpressung zu begehen. Im Mai 2001 wurden die beiden Männer von einer Jury für schuldig erklärt, zu Gefängnisstrafen von 46 und 41 Monaten verurteilt und sofort inhaftiert. Neun Monate später, am 27. Februar 2002, hob ein Appellationsgericht die absurden Urteile auf und ließ Pendergraft und Spielvogel frei. Für die Zeit, die sie im Gefängnis verbracht hatten, wurden sie ebenso wenig entschädigt wie für die wirtschaftlichen Verluste, die ihre Klinik durch die Verhaftungen erlitten hatte.
    Was bedeutete dieses Verfahren für meinen Fall? Könnte eine amerikanische Jury es tatsächlich als versuchte Erpressung bewerten, dass ich Carl F. gegenüber erklärt hatte, er müsse mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und einer Strafanzeige wegen Betruges rechnen? Und dass dies – selbstverständlich – aufenthaltsrechtliche Konsequenzen für ihn und seine Familie in den USA haben könnte? Solche Gespräche hatte ich in meiner Berufspraxis oft mit Mandanten oder Prozessgegnern geführt. Aber nichts von dem, was ich bislang für Recht gehalten hatte, schien in diesem Land noch zu gelten.
    Jeanne Baker besuchte mich mehrmals pro Woche im FDC Miami, um mit mir über solche Fragen und alle Details der Verteidigung zu sprechen. Es würde ein speedy trial durchgeführt, ein Prozess innerhalb weniger Monate nach der Inhaftierung. 14 Tage vor Beginn meines Strafverfahrens kam auch Jan Jütting nach Miami. Sosehr ich mich darüber freute, ihn wiederzusehen: Er brachte schlechte Nachrichten aus Deutschland mit. Die finanzielle Konsolidierung meiner Kanzlei sollte eigentlich durch den Verkauf einer Immobilie gesichert werden. Das hatte nicht so schnell geklappt wie geplant, der Käufer war

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