Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
treffen.
Das alles klingt nach Geheimdienstmethoden, nach Polizeistaat, nach einer finsteren Diktatur. Ist aber nachzulesen in Tageszeitungen wie dem «Miami Herald» oder der «Palm Beach Daily Business Review». Die Ermittler ließen Carlos Alvarez noch ein halbes Jahr in Freiheit, wahrscheinlich so lange, bis klar war, dass er ihnen kaum nützlich werden würde. Dann nahmen sie ihn, gemeinsam mit seiner Frau, am 6. Januar 2006 fest. Als sein Verteidiger gegenüber dem Richter monierte, dass Alvarez bei seinen Vernehmungen durch das FBI nicht auf das Recht hingewiesen wurde, einen Anwalt zu sprechen, bekam er eine zynische Antwort: Sein Mandant sei schließlich freiwillig mitgegangen.
Der Fall zog rasch Kreise. Selbst der Präsident der Universität, Mitch Maidique, ein stockkonservativer Exilkubaner, galt jetzt als «belastet», weil er mit dem Ehepaar Alvarez befreundet gewesen war. Und weil er es wagte, gemeinsam mit anderen Kollegen der Universität als Zuschauer zu seinem bond hearing zu erscheinen. Maidique trat wenige Monate später zurück, angeblich hatte der Fall Alvarez auch seinen Ruf beschädigt. «Der Fall schickte eine Welle einer McCarthy-artigen Paranoia durch Miamis akademische Zirkel und brachte ein Gesetz hervor, das es für Professoren an staatlichen Universitäten praktisch unmöglich macht, nach Kuba zu reisen», kommentierte der «Miami Herald» am 9. Juni 2006.
Elsa Alvarez wurde im Sommer 2006 gegen eine Kaution vorläufig freigelassen. Ein halbes Jahr später, im Dezember 2006, unterschrieben Carlos und Elsa jeweils ein plea agreement . Carlos räumte darin ein, dass er kubanische Regierungskreise mit Berichten über das Leben der Exilkubaner in Florida versorgt habe – aber niemals mit irgendwelchen militärisch relevanten Informationen. Vor Gericht erklärte er immer wieder, er habe nichts anderes getan oder gewollt, als einen friedlichen Dialog mit Kuba zu ermöglichen. Aus diesem Grund hatte der ausgesprochen beliebte Universitätsdozent auch mehrmals Studentenreisen nach Kuba organisiert.
Möglicherweise hat er einfach gar nichts von dem getan, was man ihm vorwarf und was er schließlich einräumte. Möglicherweise war der plea bargain, mit dem er sich eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren einhandelte, seine einzige Chance, in diesem Leben überhaupt noch einmal aus dem Gefängnis zu kommen. Seine Frau Elsa wurde zu drei Jahren verurteilt – mit dem einzigen Tatvorwurf, dass sie ihren Mann nicht an die amerikanischen Behörden verpfiffen hatte.
Ihr Strafmaß wurde im Februar 2007 festgesetzt. Vor Gericht bat Carlos Alvarez inständig darum, seine Ehefrau nicht wieder zu inhaftieren, sondern lieber ihn eine zusätzliche Strafe absitzen zu lassen. Natürlich ging der Richter darauf nicht ein: Auch Elsa Alvarez musste noch einmal für über zwei Jahre hinter Gitter. Ende Juli 2009 wurde sie entlassen.
Man muss die Geschichte, die Carlos und Elsa Alvarez passiert ist, im Licht eines anderen Falles sehen, der damals schon für Schlagzeilen sorgte und bis heute nicht abgeschlossen ist: den Fall der Miami Five (mehr dazu auf den folgenden Seiten). In jenem Sommer 2005, in dem FBI-Beamte nach dem Kirchgang auf Carlos Alvarez warteten, hatte die Auseinandersetzung um die fünf Männer aus Kuba, die seit 1998 in amerikanischer Haft saßen, einen ersten Höhepunkt erreicht: In Kuba wurden die fünf als Volkshelden im Kampf gegen den Terror verehrt, international protestierten Menschenrechtsgruppen gegen den Umgang mit den fünf Strafgefangenen. In der exilkubanischen Gemeinde aber wurde weiter der fanatische Hass gegen die Castro-Regierung kultiviert – und gegen all jene, die einen friedlichen Dialog mit Kuba suchen.
Carlos Alvarez wurde am 24. Dezember 2009 aus der Haft entlassen. Ich kann ihm nur wünschen, dass er gesund nach Hause zurückgekehrt ist und tun kann, wovon ich damals auch nur träumen konnte: die USA so schnell wie möglich zu verlassen.
Die Miami Five: Amerikas Kampf gegen fünf Anti-Terror-Kämpfer
Die exilkubanische Gemeinde in Miami zählt heute 750 000 Mitglieder. Nicht selten war sie bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen das Zünglein an der Waage: Exilkubaner wählen in großer Mehrheit republikanisch. Die Wahlergebnisse in Florida waren es, die George W. Bush im Jahr 2000 mit hauchdünner und umstrittener Mehrheit an die Macht gebracht haben.
Dass im Schutz dieser Gemeinde auch Terrorgruppen agieren, die immer wieder Anschläge gegen Kuba
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