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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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organisieren, hat die kubanische Regierung oft beklagt. Im Juni 1998 übergab der kubanische Geheimdienst dem FBI eine 1200 Seiten starke Dokumentation: Sie handelte von den Aktionen militanter Exilkubaner, deren Anschläge seit 1959 fast 3500 Menschen das Leben gekostet und 2000 schwer verwundet hatten. Unter den Gruppen, die als Verursacher genannt wurden, war auch die Organisation von Orlando Bosch, der international als Terrorist und Urheber von Bombenanschlägen bekannt ist, aber seit vielen Jahren unbehelligt in Miami lebt.
    Doch das FBI nutzte das umfangreiche Material nicht dazu, gegen die exilkubanischen Terrororganisationen in Miami vorzugehen. Es verhaftete stattdessen die Autoren der Dokumentation – jene Männer, die das brisante Material zusammengetragen hatten. Der Vorwurf: Spionage.
    Nach jahrelanger Isolationshaft wurden die fünf Angeklagten 2001 in Miami zu zum Teil lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Ihr appeal gegen die Verurteilung zog sich sehr lange hin, möglicherweise aus Rücksicht auf die Präsidentschaftswahl 2004, die von George W. Bush wiederum in Florida gewonnen wurde. 2005 wurden die Urteile vom Berufungsgericht in Atlanta aufgehoben und eindeutig als «Willkürakt» gekennzeichnet. Das Gericht forderte eine Wiederaufnahme des Verfahrens an einem anderen Ort, da in der von Vorurteilen beladenen und von Exilkubanern dominierten Atmosphäre in Miami ein fairer Prozess nicht möglich sei. Kurz zuvor hatte die UN-Arbeitsgruppe «Willkürliche Verhaftungen» einen ausgesprochen kritischen Bericht über die Behandlung der Miami Five veröffentlicht. Zahlreiche Menschenrechtsgruppen, Amnesty International und internationale Größen wie der Nobelpreisträger Günter Grass, der Linguist und Philosoph Noam Chomsky, die Pulitzer-Preisträgerin Alice Walker, die Schriftstellerin Nadine Gordimer und der Komponist Mikis Theodorakis hatten sich mit den Miami Five solidarisiert.
    Nach drei weiteren Jahren wurden 2008 die Urteile gegen zwei der fünf Angeklagten in einem erneuten Verfahren in Atlanta bestätigt: Für René Gonzáles bedeutete das eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren, für Gerardo Hernández zwei Mal lebenslänglich plus 15 Jahre. Der Supreme Court lehnte 2009 in einer weiteren Entscheidung eine Revision ab.
    Gegen drei Angeklagte wurde im Herbst 2009, wieder in Miami, erneut verhandelt: Im Oktober 2009 wurde gegen den Angeklagten Antonio Guerrero Rodrigues eine lebenslange Haftstrafe auf 21 Jahre und 10 Monate reduziert. Die Begründung der Richterin dafür, dass sie mit ihrem Strafmaß über die Forderung des Staatsanwaltes hinausging: Rodrigues habe zwar keine Geheiminformationen der US-Regierung in Erfahrung gebracht, aber die Beweislage zeige, «dass er es sehr gern getan hätte». Am 9. Dezember 2009 wurde die Freiheitsstrafe von Ramón Labañino auf 30 Jahre «verkürzt», Fernando González’ Strafe von 19 Jahren auf 17 Jahre plus 9 Monate.
    Die Ehefrauen und Kinder der Miami Five , die auf Kuba leben, bekommen bis heute von den amerikanischen Behörden kein Einreisevisum, um ihre Angehörigen im Gefängnis zu besuchen. Auch unter einem Präsidenten Barack Obama und einer Außenministerin Hillary Clinton hat sich daran bislang nichts geändert.

11
    Jan Jütting hatte bei mir Maß genommen und bei Syms in Fort Lauderdale, einem örtlichen Herrenbekleider, einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug für mich gekauft. Es sei nicht der erste feine Zwirn, der hier für einen Auftritt vor dem Strafgericht erworben würde, hatte ihm der Verkäufer, ein netter älterer Herr, verraten. Immerhin, das Jackett saß tadellos. Die Hose war mir viel zu weit. Aber das war ziemlich egal. Das sah die Jury sowieso nicht.
    Für die zwölf Geschworenen durfte nicht erkennbar sein, ob der Angeklagte, der vor ihnen saß, aus dem Gefängnis kam oder ein freier Mann war. Um dies zu ermöglichen, folgte mein Transfer vom Knast ins Gericht jeden Tag einer komplizierten Dramaturgie: Im Broward County Jail – dorthin war ich kurz vor Prozessbeginn wieder verlegt worden – wurde ich von der infirmary geholt, gefesselt und in die holding cell gebracht, in der ich auf den Sammeltransport zu warten hatte. Dann ging es in dem inzwischen vertrauten Auto zum Gericht. Dort angekommen, wurde ich als Erstes wieder in eine Arrestzelle gesperrt, die Fußfesseln wurden mir abgenommen. Erst wenn die Tür hinter mir verschlossen war, steckte ich meine Hände durch die Gitter, sodass meine Bewacher auch diese

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