Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
der Räume und bekamen dafür 10 bis 12 Cent die Stunde. Da alles, was die Anstalt für uns vorhielt, von absolut lausiger Qualität war, entwickelten sich auch kleine Dienstleistungsstrukturen unten den inmates , zum Beispiel im Umgang mit Wäsche. Man konnte seine Sachen entweder in die zentrale Wäscherei geben und bekam dann andere Teile, nicht wirklich sauber und nach billiger Seife stinkend, zurück. Aber es gab auch einen kleinen Waschsalon und die Möglichkeit, eigenes Waschmittel zu kaufen. Und man konnte sich einen «Wäschemann» für acht Dollar im Monat engagieren. Da diese Gefangenen immer ein bisschen schneller in der Laundry waren als wir Individualnutzer und sofort alle Waschmaschinen belegten, blieb einem eigentlich auch nichts anderes übrig. Aber der Service war ausgezeichnet, und manche Mexikaner schafften es auf diese Weise sogar, noch ein paar Dollar pro Monat für ihre Familie nach Hause zu schicken.
Mehr als woanders hatte ich das Gefühl, dass die guards in Pecos in gewisser Weise im selben Boot saßen wie wir Gefangenen. Sie hatten ein Interesse daran, dass die Tage hier trotz der schlechten Bedingungen halbwegs friedlich abliefen, und sie bemühten sich manchmal sogar richtig darum. Zum Beispiel gab es jede Woche eine Belohnung für die sauberste unit : Jeder der 50 Gefangenen bekam eine Cola und eine kleine Tüte Chips. Dass es für irgendetwas eine Belohnung gab – und zwar eine, die zumindest aus Sicht der meisten Gefangenen etwas wert war –, das hatte ich bisher noch nicht erlebt.
Vielleicht lag es am sonnigen Gemüt der Mexikaner, dass die Stimmung hier einfach lockerer war. Vielleicht lag es aber auch daran, dass kaum jemand in diesem Low-security -Knast aus dem kriminellen Milieu kam. Mein Zellengenosse Alfredo erzählte mir, dass 95 Prozent der Männer allein wegen eines illegalen Grenzübertrittes hier saßen. Mit anderen Worten: arme Schweine aus Mexiko, die die Hoffnung hatten, in den USA etwas Arbeit zu finden. Leute, die aufgrund ihrer Ausbildung und der wirtschaftlichen Lage in Mexiko in ihrer Heimat keine Chance haben. Freundliche, arme Menschen.
Alfredo, der gut Englisch sprach, war eine Ausnahme: Er stand kurz vor seinem Master-Examen in Volkswirtschaft, als man ihn festnahm. Seine Familie betrieb ein kleines Hotel in einem Touristenort an der mexikanischen Küste. Und dieser attraktive Standort war ihm zum Verhängnis geworden. Eines Tages waren amerikanische Investoren bei Alfredo vorstellig geworden: Ob er sich vorstellen könne, eine Marina für sie aufzubauen, hier in Mexiko? Natürlich hatte Alfredo Interesse. Die Verhandlungen wurden konkreter. Schließlich lud man ihn zu abschließenden Gesprächen in die USA ein. Alles war vorbereitet, als einer der Männer noch fragte: Es sei ihm doch egal, wo das Geld herkomme, das in das Projekt investiert werde? Und Alfredo antwortete brav und ohne vorher darüber nachzudenken: «Solange das Geld ordnungsgemäß auf dem dafür vorgesehenen Konto landet, interessiert mich das nicht.»
Das war’s. Zugriff. Verhaftung. Anklage: conspiracy of money laundering. Verschwörung zur Geldwäsche. Es folgten: ein plea bargain und eine Gefängnisstrafe von mehreren Jahren. Auch Alfredo war in eine Falle gegangen, die ihm vom FBI gestellt worden war. Sie hatten ihn dazu verführt, ein paar Worte zu sagen, die es ohne ein solches Arrangement nie gegeben hätte. Allmählich kannte ich viel zu viele von diesen Geschichten.
Die Computerkurse (Word 2000, Excel), die man hier belegen konnte und für die ich mich eifrig eintrug, werden die Job-Aussichten der Männer, die in der CI Reeves einsaßen, wohl kaum verbessert haben. In einer Einführungsveranstaltung für alle Neuzugänge wurde uns das Fortbildungsprogramm vorgestellt. Der Leiter für Education and Recreation war ein älterer Hispanic mit Anzug und Goldkettchen, dem alles scheißegal zu sein schien: Er gab sich freundlich und unbestimmt. Immerhin erfuhr ich auf dieser Veranstaltung: Es gab hier auch die Möglichkeit, einen Spanischkurs zu besuchen und sich Gitarren auszuleihen.
Die Möglichkeit, Musik zu machen, war für mich glücklicherweise inzwischen sehr viel wichtiger als die Qualität der gesundheitlichen Versorgung, denn diese war katastrophal. Es gab für mehr als 2000 inmates einen einzigen Arzt, und der war meistens nicht da. Die offizielle Begründung: Seine Mutter sei krank. Wahrscheinlich konnte sich ein Arzt, der sich dazu überreden ließ, in diesem
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