Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
– und zwei Vorstrafen wegen minimaler Delikte: die eine wegen Scheckbetrugs, die andere, weil er entgegen gerichtlichen Auflagen Kontakt mit seiner Exfrau aufgenommen hatte. 2006 wurde er bei Zollkontrollen in einem Lebensmittelladen festgenommen. Die Polizei stellte fest, dass er sich illegal in den USA aufhielt, und schob ihn über die Grenze ab. Dort hielt er es nicht lange aus, er wollte zu seiner Familie zurück. Er wurde prompt beim Grenzübertritt erwischt.
Diesmal sperrten sie ihn ins Gefängnis. Ein Richter verurteilte ihn zu 30 Monaten Haft, allein für die illegale Grenzüberschreitung, und begründete die Höhe der Strafe damit, dass der Angeklagte nicht das erste Mal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sei. Letztendlich war es eine Verurteilung zum Tode. Jesus Manuel Galindo starb, weil es in der CI Reeves für ihn kein Bett auf einer infirmary gab.
Galindos Tod ist kein Einzelfall. 104 Einwanderer kamen, so berichtet Tom Barry, seit 2003 als Gefangene der Immigration and Customs Enforcement (ICE) zu Tode. Die ICE ist eine Abteilung des neuen Ministeriums für Heimatschutz (US Department of Homeland Security) . Der 2001 ausgerufene war on terror, eine Reihe von Gesetzesänderungen und ebendieses Ministerium waren es, die mit einer über Jahrzehnte gepflegten Praxis des amerikanischen Grenzschutzes brachen: Illegale Einwanderer werden, wenn man sie beim Grenzübertritt erwischt, nicht mehr einfach in ihr Heimatland zurückgeschickt. Sie werden vielmehr festgenommen und vor Gericht gestellt. Private Gefängnisbetreiber wie die GEO Group Inc. und die Corrections Corporation of America, CCA, gehören zu den Profiteuren dieser Entwicklung – vielleicht sind sie längst zu ihrer treibenden Kraft geworden.
Die CI Reeves steht unter dem Management der GEO Group Inc., nicht, wie es als Gerücht unter uns Gefangenen kolportiert wurde, der Familie Bush. Die geschäftlichen Beziehungen zwischen republikanischen Politikern und Gefängnisbetreibern sind komplexer und weniger transparent, als wir es uns damals vorgestellt haben, aber gemeinsame Interessen haben sie allemal. George Zoley, Geschäftsführer der GEO Group, erklärte es Wall-Street-Anlegern in einer seiner vierteljährlich stattfindenden Telefonkonferenzen im Juli 2009 so: «Die hauptsächliche Triebkraft für die Entstehung neuer Betten auf Bundesebene ist weiterhin die Inhaftierung und Strafvollstreckung von kriminellen Ausländern.» Drei Monate später bekräftigte er in einer weiteren Botschaft an seine Anleger, dass die GEO sehr gut aufgestellt sei, «um von der stabilen Nachfrage in unserem Kerngeschäft – Betten in Haftanstalten, im Strafvollzug und in der Langzeitpflege – zu profitieren».
Die GEO Group hat allen Grund zum Optimismus. Im Jahr 2007 erreichte das Unternehmen zum ersten Mal einen Umsatz von über einer Milliarde Dollar, der Gewinn wurde mit 47 Millionen Dollar notiert. Für 2009 und 2010 erwartet Geschäftsführer George Zoley einen Zuwachs von insgesamt 6800 Betten, und auch das Exportgeschäft in Richtung Australien, Südafrika und Großbritannien läuft gut.
Das Welthauptquartier der GEO Group befindet sich übrigens in Boca Rotan, Florida, nur wenige Kilometer vom Broward County Jail entfernt, in dem meine Reise durch die amerikanische Gefängnislandschaft begann. Aber das ist vermutlich wirklich nur Zufall.
Wer diese criminal aliens sind, die kriminellen Ausländer, die in den USA in steigender Menge inhaftiert werden, das hat sich Tom Barry näher angesehen: in einigen jener Gerichtsverfahren, in denen Woche für Woche überall in Texas Hunderte junger Mexikaner ins Gefängnis geschickt werden.
«An ein paar Vormittagen in jeder Woche füllen Festgenommene den Gerichtssaal in Del Rio, Texas: Sie bekennen sich schuldig, das Land illegal betreten zu haben, und werden als Kriminelle verurteilt. Szenen, wie sie sich in Richter Dennis Greens Kammer abspielen, sind überall in den Gerichten entlang der Grenze zu sehen. Während sich der Saal schnell füllt, ist die nahe Hauptstraße von Del Rio ganz still und leer. Einst war sie belebt und voller Menschen, die über den Fluss, aus Ciudad Acuna, zum Einkaufen hier herüberkamen.
Mehr als vier Dutzend junge Männer und acht junge Frauen schlurfen am 17. April 2009 in den Gerichtssaal und belegen die Sitze, die normalerweise für Zuschauer und Familienmitglieder vorgesehen sind. Erst in der letzten Minute erlauben mir die Wachmänner, auch hereinzukommen, weil sich
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