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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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schrieb ich.
    Meine Verärgerung über die Zeit, die hier noch nutzlos verstrich, wechselte sich ab mit einer großen inneren Ruhe. Ich wusste: Im Prinzip hatte ich es überstanden. I’m so glad that I did stay strong , so lautete eine Zeile in meinem Song «Leaving Pecos», nicht dem letzten Stück, das ich in Texas komponierte, aber dem letzten, das sich mit dem Gefängnis befasste. «Auch wenn ich derzeit sehr dahinter her bin, die weiteren Schritte meiner Überstellung in die Wege zu bringen, verbringe ich die letzten Tage in Pecos in einer eigenartig entspannten Weise. So ganz richtig weiß ich das noch nicht richtig zu deuten, ganz ehrlich», schrieb ich meinem Freund Dieter. Da war es bereits Ende September.
    Wenige Tage später passierte endlich etwas: Harry erfuhr, dass er auf der Transportliste stand. Mein Freund Harry, mit dem ich seit Monaten hier ausharrte. Bedeutete das vielleicht, dass ich auch …? Natürlich hoffte ich das. Und registrierte zugleich ein ganz anderes Gefühl: Bestürzung. «Was, jetzt schon? Wolltest du nicht noch schnell … Briefe beantworten, die letzten Musiktitel ins Reine schreiben (mein letzter – 14. Titel – heißt ‹Bye Bye USA›), den Wäschemann bezahlen, die Steuerunterlagen vernichten?» So schilderte ich diesen Moment in einem Brief an eine Freundin. Und räumte danach endgültig mit allem auf, was ich hier in der CI Reeves noch zu erledigen hatte.

    Es war aber nur ein Fehlalarm gewesen, ein Gerücht, und auch Harry blieb mir erhalten. Ich konnte die Zahl der Musikstücke, die ich im Knast schrieb, noch mehr als verdoppeln. Am Ende waren es 29, genau so viele, wie der Blues-Musiker Robert Johnson in seinem kurzen Leben geschafft hatte.
    Ende Oktober wurde es auch in Texas kalt. Ich konnte jetzt nicht mehr ab morgens um neun Uhr draußen sitzen, Gitarre spielen und Briefe schreiben, weil meine Finger dabei klamm wurden.
    Am 9. November erlebte ich meinen zweiten Geburtstag in Haft. An diesem Tag wurde ich in das Criminal Justice Center in Pecos verlegt. Die Fahrt dorthin dauert nur zehn Minuten. Aber darauf kam es jetzt nicht an: Mein Weg back home hatte begonnen.

30
    Im Criminal Justice Center Pecos schliefen wir zu acht in einem Raum, in dem sich auch fast unser gesamtes tägliches Leben abspielte. Es gab vier Doppelstockbetten, einen großen Tisch mit acht Stühlen, eine Dusche und eine Toilette, für die man sich mit etwas Mühe einen Sichtschutz aus einem Bettlaken basteln konnte. Dreiundzwanzig Stunden am Tag war Einschluss. Es gab nichts, womit man sich sinnvoll hätte beschäftigen können. Keine Fortbildungskurse, keine Bücher, keine Musikinstrumente, keine Sportmöglichkeiten bis auf ein paar Ballspiele, die wir manchmal während unseres täglichen Hofgangs betrieben.
    Der einzige persönliche Gegenstand, den ich hatte mitnehmen dürfen, war ein ledernes Brillenetui, das Harry in der CI Reeves für mich liebevoll hergestellt hatte: In einem kleinen, unsichtbaren Seitenfach konnte ich einen Zettel mit den wichtigsten Telefonnummern verstauen. An ein Telefon, von dem Auslandsgespräche möglich waren, kam ich hier allerdings nicht heran, und bevor ich den ersten Brief nach Hause schicken konnte, musste ich erst einmal Papier, Umschläge und Marken auftreiben. Das dauerte gut 14 Tage.
    Aber immerhin war Harry mit mir hierhergekommen, und wir lagen in derselben Zelle. Mit ihm konnte ich mich sogar auf Deutsch unterhalten, sodass die guards und die anderen inmates uns nicht verstanden. Die Konzentration auf ein Gespräch, auf eine Partie Karten oder Schach fiel mir aber schwer, denn in unserer unit hing ein Fernseher unter der Decke, der 24 Stunden am Tag vor sich hin lärmte und flackerte.
    In diesem schäbigen Polizeiknast in Pecos erlebte ich zum ersten Mal, dass es eindeutig zu wenig zu essen gab. Die Speisen auf den Tabletts, die uns zu den Mahlzeiten in die Zellen gereicht wurden, sahen zwar auf den ersten Blick ganz passabel aus. Aber insbesondere für die jüngeren Mitgefangenen reichten die Portionen einfach nicht aus. Der ständige Hunger führte zu Unruhe und Aggressionen, insbesondere aber dazu, dass die Geschäfte in der commissary brummten , wo die üblichen Lebensmittel zu stark überhöhten Preisen angeboten wurden. Jeder, der es sich leisten konnte, versorgte sich hier mit Thunfisch- pouches, Chips oder Süßigkeiten. Ich hatte den Verdacht, dass der Umsatz durch das schmale Nahrungsangebot aus der Gefängnisküche absichtlich in die

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