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Ich gegen Dich

Titel: Ich gegen Dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Downham
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anfangen. Er nicht. Sollte sie sich doch genauso dumm vorkommen wie er.
    Während des Wartens sah er zu, wie sich der Fluss in der Brise kräuselte, wie Laub auf dem Wasser herumwirbelte. Wenn er hier wohnen würde, wäre er ständig an diesem Fluss. Er würde Holly Sachen darüber beibringen – wie manches hieß und wie man angelte. Erst müsste er das natürlich selber lernen, aber das wäre einfach – er würde einen Personal Trainer haben, wie Leute, die einem Fitnessstudio beitraten.
    »Woran denkst du?«
    Ihre Stimme schreckte ihn auf. Aber das war eine gute Frage. Sie bedeutete, dass er ihr gefiel. »An dich.«
    »Na klar.«
    »Im Ernst. Ich find dich umwerfend.«
    Sie seufzte. »Willst du überhaupt ein richtiges Gespräch führen?«
    Obwohl er sich das streng verboten hatte, sah er sie schon wieder an. »Ich hab an den Fluss gedacht.«
    »Was ist damit?«
    »Mir gefällt, wie er sich bewegt, dass er nie anhält.«
    Nach kurzem Nachdenken sagte sie: »Eigentlich bewegt sich alles. Die mittlere Orbitalgeschwindigkeit der Erde beträgt 29,78 Stundenkilometer und die Fluchtgeschwindigkeit über elf Kilometer. Außerdem drehen wir uns noch um das Zentrum der Milchstraße, aber die Geschwindigkeit hab ich vergessen.« Sie grinste ihn an. »Ich hab vorhin Physik gebüffelt. Bestimmt hältst du mich jetzt für die totale Streberin.«
    Er schüttelte den Kopf. »Warum merken wir dann nichts davon?«
    »Dass wir uns bewegen?«
    »Ja. Wenn wir uns so schnell drehen, wieso wird uns davon nicht schwindlig?«
    »Weil unsere Perspektive nicht über unsere feststehende Umgebung hinausreicht.«
    »Hä?«
    »Bewegung bemerken wir nur, wenn sie zu etwas in Bezug steht, was wir direkt vor uns haben. In einem Flugzeug über den Wolken merkt man die Geschwindigkeit nicht, weil es nichts zum Vergleich gibt, aber auf dem Boden, wenn es startet, spürt man, wie schnell das geht.«
    Darauf wusste er nichts zu sagen. Wahrscheinlich war Schweigen das Beste. Sie sollte nicht wissen, dass er noch nie in einem Flugzeug gesessen hatte und nicht so ganz verstand, wovon sie da redete.
    »Hast du auch Naturwissenschaften?«, fragte sie.
    Obwohl er sich nicht sicher war, ob Kochen zählen würde, legte er sich mächtig ins Zeug und erzählte ihr, er würde eine berufspraktische Zusatzqualifikation erwerben, wozu zwei Wochentage Arbeitspraxis gehörten. Auch wenn er nicht wusste, ob es so einen Studiengang überhaupt gab, hörte es sich jedenfalls cool an. Und weil er noch mehr Eindruck bei ihr schinden wollte, zog er die Whiskyflasche aus seiner Jackentasche und hielt sie ihr hin. »Guck mal, was ich hier habe.«
    »Wo hast du das her?«
    »Von meinem Kumpel. Willste?«
    Sie schüttelte den Kopf, aber er zog trotzdem den Korken raus, setzte die Flasche an und nahm einen langen Zug. Bevor er schlucken konnte, griff sie rüber und zog sie ihm weg. Whisky floss ihm über das Kinn und auf die Jacke. Lachend wischte er sich den Mund. »Du wolltest nicht.«
    Sie lächelte so hübsch. »Ich hab's mir anders überlegt.«
    Er wusste weder, was als Nächstes passieren, noch, was er in dem Fall machen würde. Er sah zu, wie sie ein Schlückchen nahm. Beim Runterschlucken verzog sie das Gesicht, ehe sie ihm die Flasche zurückgab.
    »Hör mal«, sagte sie. »Ich muss jetzt allmählich zurück. Sonst wundern die sich noch, wo ich abbleibe.«
    »Ich komm mit.«
    »Wenn du willst.«
    Erst als sie das Tor durchschritten, fiel ihm auf, dass er überhaupt nichts Brauchbares über ihren Bruder in Erfahrung gebracht hatte.
    »Und«, fragte sie, während sie bergauf gingen, »woher kennt dein Kumpel Tom?«
    Sie blieb stehen und lächelte. Er wusste, dass sie sein Zögern bemerkt hatte. Zu ihm vorgebeugt, flüsterte sie: »Denk dir eine möglichst gute Geschichte aus, hier kommt er nämlich.«
    Tom Parker kam den Hang runter auf sie zu. Aus der Nähe war er dünner und sah jünger aus. Er hatte große blaue Augen, als könnte er keiner Fliege etwas zuleide tun. Doch Mikey kannte sein Geheimnis.
    Tom lächelte seiner Schwester zu. »Alles klar, Ellie?«
    So hieß sie also.
    Er sagte: »Hast du doch noch jemand gefunden, mit dem du reden kannst?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Was auch immer.«
    »Sei nicht so. Ich such dich schon ewig. Wo warst du?«
    Ah, es war aufregend, wie nah er war. Er hatte einen Dreitagebart, eine wunde Stelle neben dem Mund, Sommersprossen auf der Nase. Wenn sie allein waren, würde Mikey den Schraubenschlüssel aus der Tasche ziehen.

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