Ich gegen Dich
langsam zu. »Ihr wisst schon, dass alle mich anstarren werden?«
Ihre Mum sah sie todernst an, schwieg aber.
Tom sagte: »Ich wünschte, ich würd heute was Normales machen.«
»Und warum gehst du dann nicht für mich?«
Er schnitt eine Grimasse in ihre Richtung. »Sehr feinfühlig, danke.«
Seufzend schenkte Ellie sich ein Glas Saft ein und nahm einen Schluck. Ihre Mum stand am Kopfende des Tisches, Servierzange griffbereit. Die Platte vor ihr war mit Spiegelei, Würstchen, Bacon und Pilzen beladen, daneben lagen Croissants und Gebäckstücke in einem Körbchen.
»Irgendwer noch irgendwas?«, fragte sie und schnappte mit der Zange wie mit Krokodilkiefern Richtung Männer.
Ellie runzelte die Stirn. »Warum hast du so viel zu essen gemacht?«
»Deine Mutter mästet uns«, sagte Dad. »Wir haben heute Vormittag eine Besprechung mit dem Anwalt.«
Notizbüchlein und Stift vor sich, kritzelte er etwas rein, ehe er sich Tom zuwandte. »Wir müssen eine Liste deiner akademischen Leistungen aufstellen – alles, woran du in der Schule beteiligt warst, AGs, Preise, all so was. Auch mit außerschulischen Aktivitäten lässt sich punkten.«
Ellie griff nach einem Croissant und bestrich es mit Butter. Es war nicht gerade ein fettarmes Frühstück, aber wenn sie sich selbst als Soldatin sah, die in den Krieg zog, hatten die Kalorien ihre Berechtigung.
Dad schrieb weiter in sein Notizbuch. »Das Turnier im Golfclub ist zum Beispiel was«, sagte er. »Du bist ins Halbfinale gekommen, oder, Tom?«
»Viertelfinale.«
»Na, immerhin.«
Es war wie eine Kriegskonferenz mit Karten und strategischen Plänen. Seit der Festnahme war das jetzt so, als wäre bei Tom irgendeine seltene und gefährliche Krankheit festgestellt worden und sie müssten alle mit vereinten Kräften versuchen, eine Heilmethode zu finden. Nichts sonst zählte.
Ellie klatschte sich einen großen Klacks Erdbeermarmelade auf den Tellerrand, brach Stücke vom Buttercroissant ab und tunkte sie ein.
»Beeil dich, Liebes.« Mum reichte ihr eine Serviette. »Du willst doch nicht an deinem ersten Tag zurück in der Schule zu spät kommen.«
Bald würde sie in der Welt draußen sein, den Zufahrtsweg runter zur Hauptstraße gefahren werden, am Bahnhof vorbei, über die Kreuzung und in die Stadt. Montag und Dienstag hatte sie durch die Behauptung schwänzen können, sie hätte Lernferien, bis Dad sich die Mühe gemacht hatte, auf der Internetseite der Schule nachzusehen, damit kam sie also nicht mehr durch. Ein letztes Mal versuchte sie, sich rauszuwinden. »Bitte, Mum, mir geht's überhaupt nicht so gut...«
Ihr Dad warf ihr einen Blick zu. »Es gibt so was wie Schulpflicht, Ellie.«
»Nicht für Karyn McKenzie.«
Der Name war so prekär, dass Tom rot wurde. So prekär, dass ihr Dad sich die Brille von der Nase riss und damit in ihre Richtung wedelte. »Du brauchst dich wegen nichts zu schämen, Eleanor, dieses Mädchen hingegen mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit schon, weshalb sie sich zu Hause versteckt hält. Du wirst jetzt zur Schule gehen und es allen zeigen.«
»Wie ein Opferlamm?«
»Nein, wie jemand, der nichts verbrochen hat.«
»Es wird bestimmt furchtbar, die werden alle Partei ergreifen.«
»Umso besser, dann findest du heraus, wer deine wahren Freunde sind.«
Er bezog sich auf denjenigen – wer auch immer es war -, der an Toms Auto einen Hunderte Pfund teuren Schaden verursacht hatte, indem er den Lack zerkratzt hatte. Und auf alle diejenigen, die keine Lust gehabt hatten, sich auf der Party blicken zu lassen. Tagelang hatte er über deren faule Ausreden hergezogen – zu viel Verkehr an einem Freitag, kein Babysitter, zu weite Anfahrt von London, zu kurzfristig. Er hatte sich mit keinem Einzelnen auseinandergesetzt, sagte, es würde ihn zu sehr aufregen, sich damit zu befassen. Aber seine Tochter sollte jetzt in die Welt hinaus und sich wacker schlagen.
»Du lässt mich deine Probleme stellvertretend für dich lösen«, sagte Ellie ihm.
»Interessante Beobachtung!«, erwiderte er, setzte sich lächelnd die Brille auf und sah wieder in sein Notizbüchlein. »Dafür bekämst du sicher 'ne Zwei in Psychologie.«
Sie wandte sich zu ihrer Mutter. »Bitte, Mum.«
»Nein, ich bin ganz Dads Meinung. Du bist seit Tagen hier ans Haus gefesselt, dabei besteht überhaupt keine Notwendigkeit, dir selbst einen Käfig zu bauen.«
Treffende psychologische Beobachtung. Was für eine Note sie wohl dafür bekäme?
Offensichtlich hatten sie sich auf
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