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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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berühren.
    »Also gut«, sagte Ms. Leslie, inzwischen auf dem Podest. »Holen Sie Ihre Lehrbücher heraus. In meinen Unterlagen steht, Sie alle sollten 1984 zu Ende gelesen haben und jetzt ein Essay darüber lesen, das auf Seite 352   Ihres Lehrbuchs steht.«
    »Moment mal. Will dieser Typ echt kein Wort sagen?«
    »Also bitte, Leute!«, sagte Ms. Leslie. Doch dann traf mich eine zweite Papierkugel, diesmal am Rücken.
    Ich drehte mich rasch herum. »Nein, ich sage nichts. Ihr [319]  rottet euch sowieso nur gegen mich zusammen. Warum sollte ich mich dem aussetzen?« Dabei schaute ich mich um. Die Rumänin beugte sich über ein Buch und las. Shitty schlief tief und fest. Und die anderen Mitschüler… guter Gott, diese dümmlichen Blicke! Wie viele Münder in einer Art permanentem Halbgähnen offenstanden, bei halb geschlossenen Lidern.
    »Du könntest uns wenigstens verraten, warum du’s getan hast. Das ist nicht richtig, dass du uns nicht mal ’ne Erklärung gibst.«
    »Also echt, Typ! Warum hast du das gemacht?«
    Ich drehte mich zu Ms. Leslie um und sah ihr in die Augen. Ich versuchte es mit einer stummen Bitte: »Helfen Sie mir doch.« Sie sagte: »Irgendwie bin ich auch neugierig, warum Sie das getan haben. Das war schon ziemlich daneben.«
    Das stieß auf lautstarke Zustimmung. »Ja, ja-woll.« – »Sie sind cool, Ms. Leslie!« – »Ms. Leslie hat’s drauf.«
    »Sollten wir nicht lieber in unseren Lehrbüchern lesen?«, fragte ich. Sofort äffte mich jemand nach, wiederholte meine Frage in übertrieben quengeligem Ton. »Das ist kindisch«, sagte ich. Was sie auch nachäfften.
    »Ich will Sie nicht in Verlegenheit bringen«, sagte die Lehrerin, »kann mir aber nicht vorstellen, dass hier Ruhe einkehrt, ehe Sie nichts gesagt haben. Außerdem erinnere ich mich, wie wichtig der Schulball war, als ich ein Teenager war, darum –«
    »Leider wird niemand hier verstehen, warum ich es gemacht habe.«
    »Warum? Weil wir nicht so klug sind wie du?«
    [320]  Am liebsten hätte ich erwidert: »Tja, wenn man bedenkt, dass ihr auf Mrs.   Hegstrands Bitte, ein berühmtes Shakespeare-Stück zu nennen, die Antwort Shakespeare gabt, würde ich schon sagen, euch fehlt der Intellekt, um irgendwas zu verstehen.« Doch stattdessen sagte ich: »Nein. Das habe ich nicht gemeint. Ich meinte, dass ich den Ball aus Gründen abblasen ließ, die ihr wohl kaum nachvollziehen könnt.«
    »Schon fühle ich mich beleidigt, wenn du behauptest, wir könnten was auch immer nicht nachvollziehen. Leute, er hält sich für was Besseres als wir. Nur darum geht’s. Darum hat er’n Anzug an, weil er glaubt, er ist zu gut, um sich so anzuziehen wie wir anderen.«
    Ich merkte schon, dass meine ursprüngliche Taktik den Bach runterging. »Ich trage diesen Anzug, weil ich fest entschlossen bin, an einem Ort, der keinerlei Klasse hat, Klasse zu zeigen.«
    »Seht ihr! Hab ich doch gesagt. Du hältst dich für was Besseres.«
    »Nein. Ich halt mich nicht für etwas Besseres. Diese ganze Schule – nein, diese ganze Generation, hat keine Klasse. Ich rede hier von Charakter. Genau das habe ich gemeint. Ihr gebt mir keine Chance.«
    »Natürlich geben wir dir keine Chance, wenn du sagst, du hättest mehr Klasse als wir. Als wär das nicht dasselbe, wie zu behaupten, du wärst was Besseres.«
    »Wenn überhaupt, würde ich sagen, ihr haltet euch für etwas Besseres, so wie ihr mit anderen Leuten umspringt. Seit ich heute Morgen hier angekommen bin – wie viele von euch haben sich an eine Stoßstange gehängt, weil ihr [321]  dachtet, der andere fährt zu langsam? In jeder Minute des Tages behandelt ihr Leute, als wären sie weniger wert als ihr.«
    »Hier geht’s nicht um uns.«
    »Hier geht’s einzig und allein um dich.«
    »Wie hast du Shankly überhaupt dazu gebracht, den Ball zu canceln?«
    Ich gab ihnen dieselbe an den Haaren herbeigezogene Erklärung wie meinem Deutschkurs, und sie waren blöd genug, mir zu glauben. Als er von den widerwärtigen hedonistischen Aktivitäten hörte, die ich erfunden hatte, rief ein Schüler: »Einen Kreis bilden und mittendrin Sex haben, klingt geil ! Wird das echt passieren?«
    »Es würde mich nicht wundern, aber nein. Das habe ich mir alles nur ausgedacht.«
    Während ich sprach, ging der hinter mir sitzende Junge zu dem Bleistiftanspitzer und spitzte den Stift so lange an, bis er unmöglich noch spitzer werden konnte. Ich fragte mich, ob er damit auf mich einstechen wollte.
    »Aber warum? Warum hast du

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