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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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Sweeney, »sind andere vielleicht nett zu dir, ohne dass du es überhaupt merkst. Ich weiß beispielsweise, dass ich dir ein paarmal am liebsten eine aufs Maul gehauen hätte, aber ich hab’s gelassen. Jetzt gerade würd ich dir gern den Arsch versohlen, aber ich mach’s nicht. Also ist da schon jemand nett zu dir.«
    »Ich sollte dir wohl danken.«
    »Klar. Das solltest du.«
    »Danke.«
    »Gern geschehen, aber viel länger wirst du mir nicht danken.« Dann machte er mit den Händen das Gang-Symbol der Van-Van-Mafia. Ich wollte laut lachen und hätte es [328]  auch getan, wenn meine Nerven nicht dafür gesorgt hätten, dass sich mein Magen wie eine große Pustel anfühlte. Wahrscheinlich musste ich wieder die Toilette aufsuchen. Als die Lehrerin sich umdrehte, traf mich die nächste Papierkugel am Hinterkopf, doch ich spürte es kaum.
    13 . 33   »Gut. Jetzt müssen wir aber wirklich etwas tun.« Dann kündigte Ms. Leslie zwei schreckliche Dinge an: Zuerst sollten wir laut vorlesen. Als Zweites sollten wir Gruppenarbeit machen. Meine seltsame Angst davor, laut vorzulesen, war so schlimm, dass ich gelegentlich Lehrern weismachte, ich hätte Halsweh, damit sie jemand anders drannahmen. Gruppenarbeit gab es bei Mrs.   Hegstrand normalerweise nicht, doch heute sollte Gruppenarbeit in Kombination mit dem Vorlesen die Aufgabe der Vertretung einfacher machen.
    »Schlagen Sie Seite 352 in Ihren Lehrbüchern auf.«
    »Ich wusste nicht, dass wir das Buch mitbringen sollten. Kann ich es holen gehen?«
    »Nein. Tun Sie sich einfach mit jemandem zusammen. Sie müssen beim Vorlesen aufpassen, denn das hilft Ihnen bei der Beantwortung einiger Fragen in dem Arbeitsblatt, das ich für die Gruppenarbeit verteilen werde.«
    »Welche Seite?«
    »352.«
    »Dürfen wir uns selbst die Gruppen aussuchen?«
    »Ja, das dürfen Sie.« Großartig! »Doch vorher müssen wir lesen, also…« Sie sah das vorne links sitzende Mädchen an und fragte: »Können Sie bitte den ersten Absatz vorlesen?«
    [329]  »Ich habe mein Buch nicht dabei.«
    Ms. Leslie lachte. »Na schön. Jeder, der sein Buch nicht mitgebracht hat, schiebt sein Pult zu jemandem rüber, der es hat. «
    »Das ist doof«, sagte ein besonders widerspenstiger Junge in einem Camouflage-T-Shirt.
    Fast die Hälfte der Schüler rutschte mit ihren Pulten herum, was irgendwie zu einem komplexen, langwierigen Vorgang wurde. Natürlich gehörte ich zu den privilegierten Schriftgelehrten, die ihren Text teilen durften. Der Redneck und Vater zweier Kinder nuschelte leise und ausführlich irgendwas über »Schwänze«, während er sein Pult in meine Richtung schob. Er machte mir Angst. Ich legte mein Buch so hin, dass wir beide lesen konnten, obwohl wir beide wussten, dass er nicht die Absicht hatte, sich auch nur ein einziges Wort anzusehen. Er beugte sich zu mir rüber und murmelte leise: »Ich find, du bist okay. Bin froh, dass die Scheiße abgesagt is’.«
    »Danke. Ich freue mich, dass jemand meine Ansicht teilt.« Als ich ihn gerade fragen wollte, ob er in Betracht ziehen würde, seine Meinung dem ganzen Kurs mitzuteilen, waren alle zur Ruhe gekommen, und die Vertretung bat erneut das Mädchen vorne links vorzulesen.
    Der Text war eine kurze Zusammenfassung von Erich Fromms Nachwort zu 1984, für eine Highschool-Leserschaft vereinfacht. Bald merkte ich, dass Kamerad Redneck nicht als Einziger der Lesung nicht folgte; meine eigenen Gedanken drehten sich um Hamilton Sweeney und seine Angriffe, sowohl um die verbalen, die ich soeben ertragen hatte, als auch um die für 15   Uhr   15 geplanten physischen [330]  Attacken. Ich überlegte mir, wie toll es wäre, wenn Chloe sich für mich statt für ihn entschiede. Aus dem Augenwinkel sah ich zu ihm hinüber und war erstaunt, dass er den Text mitlas. Wahrscheinlich guckte er nur auf die Seite und dachte darüber nach, was er als Nächstes mit seinem Samenleiter machen könnte.
    Ich bemerkte erfreut, dass Ms. Leslie die Vorleser auswählte, indem sie durch die Reihen ging und jeden Schüler bat, einen Absatz vorzulesen. Ich zählte die Zahl der Absätze und die Zahl der Schüler und kam zu dem Schluss, dass ich doch nicht würde lesen müssen, was meinen Magen beruhigte. Dann geschah etwas noch Besseres.
    Ich lernte etwas.
    Bei all dem sozialen Tamtam auf der Highschool vergaß man nur allzu leicht, dass wir aus einem ganz bestimmten Grund hier waren: um zu lernen. Die meisten meiner Altersgenossen lehnten diese Möglichkeit strikt ab,

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