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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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hätte. Ich schloss die Augen und sagte mir im Stillen: »Beruhig dich, James. Du darfst bald nach Hause. Die Highschool ist nichts für dich, aber die Zukunft. Chloe ist nichts für dich, aber die Zukunft. Beruhig dich. Du darfst bald nach Hause.«
    Das half, wenigstens vorübergehend.
    Tommy begann eine neue Comedy-Nummer, in der es darum ging, dass der Name jedes männlichen Ensemble-Mitglieds der Fernsehsendung Saturday Night Live das Wort »Brüste« ersetzen konnte. »Mann, hast du die Bill Murrays an der Tussi gesehen? Die hat ein paar geile Dan–«
    »Entschuldige, aber ehe du wieder loslegst, sollst du wissen, dass mir leidtut, wie ich mich vorhin benommen habe. Das war fehlgeleitete Wut meinerseits. Ich hab mich kindisch benommen.«
    »Wovon laberst du da?«
    »Von der ganzen Star-Wars -Sache.«
    [395]  »Ah ja. Komm einfach mit uns.«
    »Ich will nicht eingeladen werden, nur weil ich mich beschwert habe, dass ich nicht eingeladen wurde.«
    »Sei nicht so ein Mädchen!«
    »Ihr seid doch die ganze Zeit nur zugedröhnt. Dann fühle ich mich deplatziert. Und ich werfe euch nicht vor, dass ihr euch zudröhnen wollt. Ich verstehe, was einen daran reizt. Aber macht das ohne mich. Ihr habt es hier mit einem Typ zu tun, der sich schlicht nicht amüsieren kann. Ich bleibe besser zu Hause.«
    »Wenn die Welt untergeht, wirst du dir wünschen, du wärst mehr ausgegangen.«
    »Och Tommy, komm wieder runter. Diese verdammte Welt geht nie unter. Sie wird sich nur schneller drehen, noch feindseliger werden, der Druck wird immer größer werden, und eines Tages kriegen all diese Leute Kinder, die meine Kinder misshandeln, und das geht ewig so weiter. Was rede ich da eigentlich? Ich werde nie Kinder haben. Ich kann ja nicht mal einen anderen Menschen dazu bringen, mich zu mögen. Ich kann mir nicht vorstellen, je eine Person zu finden, die mich heiraten will. Aber die Welt geht nicht unter. Das wäre zu einfach. Sie wird nur älter, und je älter sie wird, desto schlimmer wird sie werden. Genau wie wir.«
    »Mann, warum bist du immer so negativ ? Du hast es der ganzen Schule besorgt. Du solltest dich jetzt gerade supergut fühlen.«
    »Mein Dad ist gestorben.«
    Er schwieg, genau wie die anderen beiden am Tisch, die so taten, als hätten sie mich nicht gehört.
    [396]  »Du fragst, warum ich so negativ bin. Das könnte der Grund sein. Wusstest du, dass er gestorben ist?«
    »Ja«, sagte Tommy.
    »Warum hast du dann nichts gesagt?«
    »Weil du nichts gesagt hast. Ich habe darauf gewartet, dass du etwas sagst, was du nicht getan hast, deshalb dachte ich, du wolltest nicht darüber reden.«
    »Wollte ich auch nicht.«
    »Was zum Geier?! Du drehst dich im Kreis.«
    »Das weiß ich. Mir geht’s nicht gut. Ich glaube, ich krieg ’ne Krise. Letzte Stunde hab ich jemanden angespuckt.«
    »Wen?«
    »Hamilton Sweeney.«
    »Der hat’s bestimmt verdient. Warum hast du ihn angespuckt?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Ich schäme mich, dass ich so etwas tun konnte. Als ich es tat, fühlte ich mich gar nicht wie ich selbst. Ich sah, wie ich es tat, und dachte: Verdammt, James. Tu das nicht. Ich komme mir vor, als würde ich verrückt. Sogar jetzt schlottere ich innerlich.«
    »Hast du ihm ins Gesicht gespuckt?«
    »Ich hab’s versucht, ihn aber verfehlt. Doch darum geht’s nicht. Ich will dir sagen, dass ich befürchte, krank zu sein. Vielleicht trauere ich falsch.«
    »Hm.«
    »Was soll einer wie ich machen? Ich kann keine Partys feiern, und ich weiß nicht, wie man trauert. Was bleibt mir da noch übrig? Und wieso kriege ich kein Mädchen? Bin ich so abstoßend?«
    Ich wusste nicht einmal, ob er mir überhaupt zuhörte. [397]  Ich sah zu Chloe hinüber, die sich mit Marleen über den Spring Break unterhielt. (»Wenn irgendwo Palmen stehen, bin ich glücklich.«)
    Ich fragte mich, wie viel Zurückweisung ein Mann erträgt. Die Welt wollte nicht »ja« zu mir sagen. Chloe war nicht die Erste. Ich kam mir vor, als hätte mir jeder Mensch, den ich jemals kannte, »nein« ins Gesicht geschrien. Mein Herz war schon so oft gebrochen worden, dass es bestimmt nicht mehr als Herz erkennbar war. Es glich eher einem vertrockneten, von mangelnder Lust verkalkten Auswuchs, der aber dennoch in die Neurose romantischer Zuckungen verfiel. Vermutlich könnte ich es auch so nennen wie alle anderen: Liebe.
    Ich fragte mich: Was wird nur aus all dieser unerwiderten Liebe? Die Liebe, die ich anbiete, die aber nie angenommen wird – wo geht sie

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