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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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entspannen. Oder er würde meine Magenprobleme sogar noch verschlimmern. Jedenfalls würde ich mich nur im alleräußersten Notfall auf eine öffentliche Toilette setzen.
    Spind 815 war in Sichtweite, aber ein veritabler Schülerstau blockierte mir den Zugang. Während ich wartete, sah ich vor meinem inneren Auge ständig Chloe vor mir, wie sie sich ein paar prachtvollen Hirnis hingab, die ihre Baseballmützen verkehrt herum aufhatten. Aber vielleicht stimmte [48]  es ja gar nicht. Vielleicht hatte sich Tyler auch alles nur ausgedacht. Er hatte schon immer einen fiesen Zug an sich gehabt, der Typ. In der sechsten Stunde, wenn wir Kunstunterricht hatten, würde Tyler vielleicht sagen: »Hab dich nur verarscht, James. Chloe hat nie auch nur einen Fuß in einen Club gesetzt. Sie hat die ganze Zeit am Strand gelegen und schrottige Romane gelesen.«
    Der Stau löste sich allmählich auf, dafür sah ich, dass – wie so oft – ein halbwegs attraktives Bauernmädchen aus meiner Klasse und ihr Redneck-Boyfriend den Zugang zu meinem Spind versperrten. Der Junge stützte sich dauernd auf meinen Spind, während er dem Mädchen über den Hintern strich und sie neckte. Gelegentlich küssten sie sich sogar.
    »Verzeihung.«
    Er schenkte mir den gleichen ausdruckslosen, von Inzucht geprägten Blick wie immer, als hätte er nicht die leiseste Ahnung, warum ich das zu ihm sagte.
    »Mein Spind?«, fragte ich mit einem Kopfnicken in Richtung hinter seinen Rücken.
    Er bewegte sich, aber ohne ein Wort der Entschuldigung, als wäre ich im Unrecht.
    Während ich meine Zahlenkombination eingab, hörte ich, wie die beiden »Ich liebe dich« sagten, ehe sie auseinandergingen. Am liebsten hätte ich ihnen nachgerufen: »Nein, ihr glaubt nur, dass ihr euch liebt.« Das L-Wort wurde hier genauso inflationär bis zur Bedeutungslosigkeit verwendet wie das F-Wort.
    Ich fluchte gern. Worte waren nachgerade meine einzige Verteidigung, mein einziges Laster, doch das F-Wort mochte ich trotzdem nicht, es war mir zu harmlos.
    [49]  Sobald ich das Schloss entfernt hatte, öffnete ich die Spindtür, auf deren Innenseite ich ein Foto meines Lieblingsschriftstellers geklebt hatte, F. Scott Fitzgerald, der unter Tylers Foto des Rappers Biggie Smalls hing. Als ich Fitzgerald sah, fiel mir ein Zitat aus Diesseits vom Paradies ein, etwas darüber, dass der jugendliche Held Amory Blaine von der Idee fasziniert war, ein Mädchen zum ersten Mal abends um acht zu treffen und sie schon vor Mitternacht zu küssen. Ich fragte mich, was Amory von Panama City Beach halten würde.
    Ich legte meine Bücher ab, hockte mich hin und fand tatsächlich unter Tylers Krempel eine halbleere Flasche Wodka.
    Ich steckte praktisch im Spind drin, als ich das Etikett las: Es war Dark Eyes, der wohl billigste Wodka auf dem Markt. Ich schraubte den Verschluss auf und schnupperte. Es roch nach Franzbranntwein. Ich war kurz davor, etwas zu trinken, mit dem man gewöhnlich Wunden behandelte. Schließlich war ich dochverletzt worden, oder etwa nicht?
    Ich beugte mich zurück, um nachzusehen, ob mich jemand beobachtete. Doch alle um mich herum unterhielten sich angeregt (hauptsächlich über den Abschlussball). Wenn ich gewollt hätte, hätte ich es auf der Stelle machen können. Doch jetzt war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich es wollte.
    Ich schraubte den Verschluss wieder zu. Ein Blick zur Spindtür verriet mir, dass Fitzgerald mich ermunterte zu trinken, und zwar nicht zu knapp. Dann wurde mir klar, wie sinnvoll es wäre, Trinker zu sein.
    Mein Traum war es, Schriftsteller zu werden. Die [50]  meisten meiner Lieblingsschriftsteller hatten gesoffen. F. Scott Fitzgerald, Truman Capote und James Joyce, um nur einige zu nennen, hätten nicht lange überlegt und den Dark Eyes getrunken, und all diese Gentlemen hatten Werke verfasst, die in Schulen überall auf der Welt zur Pflichtlektüre gehörten. Wenn ich mich folglich der Flasche hingab, täte ich einen wichtigen Schritt in Richtung meiner Zukunft, was sich am heutigen Tag sogar anbot, da in der zweiten Stunde in Kreatives Schreiben ein Auszug aus meinem noch unfertigen Roman besprochen werden sollte. Das erste Mal, dass mein Werk öffentlich zur Kenntnis genommen wurde.
    Heute würde ich Schriftsteller werden.
    Ein weiterer Kontrollblick über die Schulter. Erneut schraubte ich den Deckel auf und wieder schnupperte ich. Ich beschloss, einen Trinkspruch auszubringen. Ich mochte Trinksprüche, weil sie dem leichtfertigen Vorgang des

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