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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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lassen?«
    »Das geht dich nichts an.« Stephanie war vielleicht sechs, sieben Meter vor mir im Hauptkorridor. Mir fiel auf, dass ein paar Jungs sich umdrehten und ihr nachsahen, nachdem sie an ihr vorbeigegangen waren, und lüstern lachten. »Tut mir leid, Tommy.«
    »Macht doch nichts. Ich hab’s nicht böse gemeint.«
    »Es ist nur – na ja, du hast ja gesehen, wie sie mich am Mittagstisch massiv angemacht hat, darum begreif ich nicht, wieso du denkst, sie hätte mich zurückgewiesen.«
    [249]  »Ich wollte gar nichts andeuten.«
    »Aber ich weiß Bescheid. Wer sollte mich schon wollen, oder?«
    »Was stimmt bloß nicht mit dir?«
    »Alles.«
    »Sei nicht sauer auf mich. Ich bin dein Freund.«
    »Ja«, sagte ich, abschätzig lachend.
    »Was?!«
    »Weißt du, ich mag Star Wars auch.«
    » Deswegen bist du sauer? Was kann ich dazu, wen Brock einlädt?«
    » Du hättest mich einladen können.«
    »Ich hätte nicht mal gedacht, dass dir solche Filme gefallen würden, so wie du immer die Filme runtermachst, die alle anderen mögen. Ich dachte, du magst nur diese öden alten Filme.«
    Vor uns bog Stephanie jetzt in den 400er-Flur ein.
    »Ich hab Star Wars schon immer gemocht. Schon seit ich klein war.«
    »Dann komm doch einfach mit uns. Hey, Mann, tut mir leid. Ich wusste nicht mal, dass du was mit uns zusammen machen wolltest.«
    »Will ich auch nicht.«
    »Warum benimmst du dich wie ’n Mädchen?«
    »Tut mir leid, dass ich überhaupt was gesagt habe. Wir sehen uns in Kunst.« Ich bog in den 400er-Flur ein, wo mir wieder Lavell entgegenkam, der Junge, mit dem ich jeden Schultag meiner Kindheit gemeinsam verbracht hatte. Wieder sagte ich: »Hey, Lavell«, und wieder sagte er nichts, und diesmal gönnte er mir nicht mal sein knappes, [250]  männliches Nicken. Ich schüttelte den Kopf, als ich an ihm vorbei war, und murmelte nur leise vor mich hin: »Alles klar. Du bist ein harter Brocken.« Ich hatte ihn gekannt, als er noch nicht so hart war – vermutlich auch ein Grund, weshalb er nicht mehr mit mir sprach.
    Stephanie war stehengeblieben, um sich neben einem Wasserspender mit zwei anderen Schulmatratzen zu unterhalten, vermutlich diskutierten sie, welcher Junge das schönste Paar Hoden hatte. Die anderen beiden Mädchen waren langbeinig und plapperten ununterbrochen. Als ich näher kam, lachten sie gerade über etwas, was Stephanie gesagt hatte.
    »Stephanie«, sagte ich zu ihrem Hinterkopf. Sie wirbelte herum und sagte so böse und so nachdrücklich »Was?«, dass mich fast der Mut verlassen hätte. Die anderen beiden Mädchen gingen.
    Eindeutig: Sie schielte. Ich öffnete den Mund, um »Vergiss es« zu sagen, doch heraus kam Folgendes: »Du hast mich einen netten Jungen genannt, ich bin aber nicht so nett, wie du glaubst. In Wirklichkeit hat der Rektor den Ball nicht wegen diesem Pep-Rally-Krawall abgesagt.«
    »Was quatschst du da?«
    » Ich bin schuld, dass ihr keinen Abschlussball haben werdet.«
    »Was hast du denn damit zu tun?«
    »Das geht nur den Direktor und mich etwas an. Doch ich versichere dir, es ist allein mein Werk. Ich habe euch den Ball genommen. Jetzt weißt du’s.«
    »Und wenn schon.«
    »Ich mein’s ernst. Am liebsten würde ich euch alle eure [251]  Partys, eure Dates, euer Abhängen und den Spring Break nehmen – alles, wofür ihr lebt –, aber wenigstens hab ich euch euren blöden Abschlussball genommen.«
    »Echt?«
    »Ja. Echt und wahrhaftig. Ich bin zum Rektor gegangen und musste ein wenig tricksen, habe ihn aber dazu gebracht, den Ball zu canceln, und genau das ist das Tollste, was ich je gemacht habe.«
    »Oh, mein Gott! Du meinst das jetzt wirklich ernst, oder?«
    »Ja!«
    »Warum machst du sowas?«
    »Aus purer Gemeinheit.«
    »Und mich hast du grausam genannt!«
    »Tja, ich schätze, jetzt sind wir quitt. Jedenfalls tut’s mir leid, dass ich dich behelligt habe.«
    Ich wartete auf ihre Reaktion, doch es kam keine. Ich machte mich auf zu meinem Spind. Ich war mir nicht sicher, glaubte aber, weiter hinten im Flur Hamilton Sweeneys Rückseite zu sehen.
    Es hatte funktioniert; meine Beschämung war wie weggeblasen. Doch an ihrer Stelle machte sich bereits – und keineswegs überraschend – ein heftiges, unerträgliches Bedauern breit. Ich dachte wiederholt und obsessiv immer denselben Gedanken: Gott, was habe ich getan?
    Ich nahm an, dass man einfach bluten musste, wenn man nur oft genug geschnitten wurde. Doch eben hatte ich einen mein Leben verändernden Fehler

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