Ich gegen Osborne
leid. Ich unterbreche dich nicht mehr.«
»Alles klar. Ich fürchte mich schon seit Jahren vor diesem Tag – auch hier möchte ich nicht ins Detail gehen –, aber dann hat dich Ms. Calaway zu meiner Laborpartnerin gemacht, und dank dir kam ich auf andere Gedanken, wofür ich dankbar bin. Und ich habe gemerkt, dass ich einfach nicht anders kann, als dich zu mögen, und ich würde gern wissen, ob du irgendwann mal mit mir ausgehen willst.«
Ihre Reaktion erfolgte noch in der Sekunde, als ich verstummte, und damit wurde mir sofort klar, dass mit der Welt alles in Ordnung war.
Sie lachte.
[246] »Oh, James«, sagte sie. »Du würdest nicht mit mir ausgehen wollen.«
»Das glaube ich doch.«
»Ich bin kein netter Mensch.«
»Das ist also ein Nein, oder?«
»Es tut mir leid. Mir ist klar, dass du ein netter Junge bist, und ich hab schon versucht, mit netten Jungs auszugehen, aber es klappt einfach nicht. Am Ende tu ich ihnen nur weh, und ich will dir nicht weh tun.«
»Glaubst du, das tut nicht weh?«
»Verzeih mir. Ich mag dich als Freund, wirklich, aber –«
»Und das ganze Geflirte beim Essen?«
»So bin ich nun mal. Tut mir leid, dass du einen falschen Eindruck bekommen hast.«
»Was dachtest du denn, welchen Eindruck ich bekommen würde? Herrgott noch mal! Hatte es was mit Chloe und Hamilton zu tun? Wolltest du ihnen eins auswischen?«
»Nein! Glaubst du nicht, ich würde mit dir ausgehen, wenn es das wäre?«
»Wolltest du Jeff eifersüchtig machen?«
Wieder lachte sie. »Nein. Mit Jeff hab ich seit, was weiß ich, Jahren nicht mal mehr gesprochen. «
»Warum hast du mich dann so massiv angemacht?«
Sie sah zu ein paar Jungs rüber, die Footbag spielten, und antwortete: »Weiß auch nicht. Ich fand dich interessant. Ich wollte dich kennenlernen. Mehr nicht.«
»Ich bin ein Mensch mit Gefühlen. Ist dir das bewusst? So solltest du nicht mit Leuten umspringen. Ich verstehe einfach nicht – wie konntest du nur so grausam sein?«
»Tut mir leid, wirklich. Ich muss jetzt los.«
[247] »Nein. Erst antwortest du mir. Das war keine rhetorische Frage. Wie kann jemand nur so grausam sein? Ich würde einen anderen Menschen nie so behandeln. Wie macht ihr das bloß? Wie könnt ihr die Gefühle eines anderen Menschen so völlig missachten? Ist dir klar, wie grausam du bist? Bist du dir dessen bewusst ?«
»Hör zu, ich sagte doch, dass es mir leidtut. Du musst dich deswegen nicht wie ein Arsch aufführen.«
»Genau. Ich bin der Arsch. Ich bin der Bösewicht. Mir ist klar, wie das läuft.«
Ich nahm den Ring ab, den sie mir gebastelt hatte, steckte ihn mir in den Mund und kaute ihn zu einem Bällchen aus mit Spucke getränktem Papier.
»Reg dich einfach ab, Alter«, sagte sie. »Ich werd dich nicht mehr behelligen.«
Ich spuckte das Papier zu Boden, und damit schienen sich jede Logik und jede Vernunft aus meinem Wesen zu verabschieden. Ich öffnete den Mund, um ihr zu sagen, dass ihr kostbarer Abschlussball wegen mir abgesagt worden war.
Doch dann klingelte es.
12 . 07 Es war aber erst das erste Klingeln.
Doch ehe ich meinen Spruch aufsagen konnte, nutzte Stephanie das Klingeln als Vorwand, um sich so rasch wie möglich von mir zu entfernen. Während alle an mir vorbeiströmten, stand ich einen Moment lang wie vor den Kopf geschlagen mitten im Foyer. Zuerst hatte ich als Asexueller versagt, und jetzt bekam ich nicht mal Heterosexualität auf die Reihe – mit einem Mädchen, dessen einziger [248] Daseinszweck offenbar darin bestand, männlichen Wesen zu helfen, diese sexuelle Orientierung beizubehalten. So wenig begehrenswert war ich. Jetzt war meine Entfremdung total.
Mehr als Wut, mehr als Schmerz, mehr als Selbstmitleid stieg ein Gefühl in mir hoch und schluckte die anderen: Ich war beschämt. Beschämung war für mich eine besonders starke Emotion, aber vermutlich traf das auf jeden Jugendlichen zu. Ich musste alles Menschenmögliche unternehmen, um dieses Gefühl rückgängig zu machen. Deshalb eilte ich ihr nach.
»Stephanie«, rief ich, als ich das Foyer verließ. Sie drehte sich nicht um.
»Hat sie dich abblitzen lassen?«, fragte eine vertraute Stimme hinter mir. Ich antwortete nicht und ging weiter, doch rasch holte er mich ein. »Warte doch, Mann. Was ist passiert?«
»Wieso glaubst du, dass sie mich abblitzen ließ?«
»Weil ihr beide wütend ausseht.«
»Aber wie kommst du darauf, dass sie mich hat abblitzen lassen?«
»Dann hast du sie also abblitzen
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