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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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von Brock ausgedachtes Spiel, bei dem zwei heterosexuelle Freunde langsam Annäherungsversuche machen, bis es einer von beiden nicht mehr aushält. Diesmal spielte Brock den aggressiven Part. Er begann damit, dass er Tommys Hand hielt, ihm dann den Oberschenkel streichelte, dann näher rückte und ihm sanft gegen den Hals pustete, woraufhin Tommy schrie: »Du hast gewonnen! Lass mich sofort in Ruhe, verdammt.«
    »Immer noch der Champion«, sagte Brock und hob die Arme. »Jetzt du.«
    »Kommt nicht in Frage«, sagte Tommy.
    Brock tat, als wolle er Tommy zwischen die Beine boxen. Dann verschluckte er sich an einem Mund voll Kakao. [240]  Shelley klopfte Brock auf den Rücken, während er versuchte, den Husten zu unterdrücken und weiterzureden, als wäre nichts geschehen.
    »Mir ist gerade eingefallen«, sagte Brock mit hochrotem Gesicht, »dass ich unbedingt zu Red Lobster muss. Ich hab gesehen, wo man diese Fruchtdrinks bekommt, die in solchen großen, hohen Gläsern serviert werden. Aus einem könnten wir einen Bong basteln.«
    In jeder Mittagspause kamen sie unweigerlich auf ihr Lieblingsthema zu sprechen – high werden. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Stephanie die Cafeteria verließ und den Hauptkorridor betrat. Seit ich zuletzt an Chloe gedacht hatte, waren wenigstens fünf Minuten vergangen.
    Ich wischte mir mit einer Serviette den Mund ab, stand auf, und keiner an meinem Tisch schaute auf, als ich ging.
    Als ich mein Tablett quer durch die Cafeteria trug, sah ich nach, wie die Stimmung am Tisch der schwarzen Schüler war, weil ich mich fragte, wie sich die Bekanntgabe des Direktors auf sie auswirkte. Ihr Tisch bestand aus vier zusammengeschobenen Tischen, ähnlich wie bei dem Tisch der coolen Jungs auf der anderen Seite. Dort saßen alle schwarzen Schüler von Osborne High, außer einem, der an dem Magic-Cards-Tisch, und einem, der bei den Kids von der Blaskapelle saß. An ihrem Tisch fiel mir heute nichts Ungewöhnliches auf. Einige von ihnen hatten mir früher mal ein Kompliment wegen meines Autos gemacht, aber jetzt sah keiner zu mir hoch.
    Ich stellte mein Tablett auf dem Tresen neben der Küche auf ein anderes Tablett und begrüßte Glenn, dessen lange fettige Haare gebündelt unter einem Haarnetz steckten. [241]  Und obwohl es lustig gewesen wäre, wenn wegen des Spruchs im Ketchup eine einzelne Träne seine Wange hinuntergerollt wäre, wirkte er so leer und hohl wie immer.
    Mit vollem Magen und den Kopf voller atypisch positiver Gedanken begab ich mich Richtung Hauptflur. Unterwegs nach draußen warf ich einen letzten Blick auf all die Schüler, wie sie ihre Pizzarechtecke vertilgten, während sie das für Highschool-Cafeterias charakteristische, kehlig-überdrehte Grölen von sich gaben. Dieses Gefühl war mir so fremd, dass ich es trotz seiner positiven Natur beunruhigend fand. Es war ein Gefühl des Sieges. Ich hatte einmal den Scherz gemacht: »Mal gewinnste, mal verlierste«, oder in meinem Fall: »Mal verlierste, mal verlierste.« Doch jetzt sah es so aus, als hätte ich endlich mal gewonnen.
    Slim brachte uns zwar bei, dass man Klischees immer vermeiden sollte, doch nachdem ich der gesellschaftlichen Ordnung dieser Highschool einen Schlag versetzt hatte, der ihr den Garaus machen könnte, merkte ich, dass auf Osborne ein neues Milieu Gestalt annahm, in dem zwei Klischees galten: »Alles ist möglich« und »Der Sieger kriegt die Beute«. Jetzt kann alles passieren, dachte ich, als ich durch den Cafeteria-Eingang schritt, über dem ein Schüler auf einer Leiter ein Transparent entfernte, das den Abschlussball ankündigte.
    Die Schule gehörte mir.
    Ich nahm den Serviettenring aus meiner Jacketttasche und steckte ihn mir an den Finger.
    12 . 01   Der Hauptkorridor zog sich durch das gesamte Gebäude. Ich sah Stephanie nicht; bestimmt war sie im Foyer. [242]  Ich ging langsam und übte leise, was ich sagen würde. Ich kam an Bildern vorbei, die wir in Kunst gemalt hatten, alle paar Schritte hing wieder eins. Meins war ein surrealistisches Porträt des Zigarette rauchenden James Dean, innerhalb des Zigarettenrauchs befanden sich schemenhafte Porträts von Patricia Neal, einer Leinwandlegende aus Kentucky, Jimmy Stewart und, als absurder Touch, dem Achtzigerjahre-Catcher »Macho Man« Randy Savage. Als Maler war ich ein Dilettant und hätte mein Gemälde am liebsten von der Wand genommen.
    Ich machte kehrt und ging durch den kurzen Flur Richtung Foyer, der mich auch am Sekretariat

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