Ich geh jetzt in dein Karma rein
auf meine Sitzungen beschränkte.
Bald musste ich mir auf der Arbeit die sprichwörtlichen Streichhölzer zwischen die Augenlider klemmen. Ich fühlte mich nur noch wie ein Schatten meiner selbst. Das war doch nicht normal! Kurzentschlossen stellte ich an jenem Abend meine Türklingel ab. Ich hatte endlich kapiert, dass es für mich gar nicht gut war, für die Ratsuchenden ständig greifbar zu sein. In meiner Wohnung fühlte ich mich mehr und mehr beobachtet und kontrolliert. Kunden ohne Termin fingen mich täglich vor der Haustür ab, wenn ich mit dem Auto von der Arbeit kam. Sie hofften auf diese Art doch noch an einen Termin zu kommen.
Mir machte die Kartenlegerei nach wie vor großen Spaß, doch unter diesen Bedingungen konnte und wollte ich nicht weitermachen. Stalker! Überfallkommandos!
Schneller als erwartet bot sich mir eine Möglichkeit.
♈ ☿ 4. Kapitel ♊ ♋
Das Eso-Mekka
Für das kommende Wochenende war eine Esoterikmesse in der Nähe angekündigt. Anke und Conny fieberten diesem Termin schon lange entgegen und fragten mich, ob ich mitkommen wollte. Klar wollte ich! Mittlerweile fühlte auch ich mich der Esoterik verbunden und war gespannt darauf, was es da wohl alles zu sehen gab. Eine genaue Vorstellung davon hatte ich jedoch keineswegs.
Die Messe fand in einer Stadthalle statt. Obwohl wir relativ früh losgefahren waren, platzte der angrenzende Parkplatz bereits aus allen Nähten, als wir eintrafen. Am Eingang der Halle wartete schon eine Traube von Menschen. Ich las mir auf einem blauen Flyer die Frühjahrs- und Herbsttermine der Esoterikmessen durch und zählte insgesamt zwanzig bundesweite Veranstaltungen. Das überraschte mich, mir fiel spontan keine andere Messe ein, die derart viele Termine in ganz Deutschland hatte.
Das Publikum war bunt gemischt: Mütter mit ihren Töchtern, Frauengruppen, Alternative, Heilpraktiker, Männer mit Rauschebärten und Ledermützen und »Fachbesucher«, sprich praktizierende Kartenleger. In der Stadthalle herrschte eine Atmosphäre wie in der New Yorker U-Bahn während der Rushhour. Es war heiß und stickig, und die Menschenmassen wuselten zwischen den einzelnen Verkaufsständen hin und her, an denen verschiedenste Produkte und Dienstleistungen angeboten wurden. Ich kam aus dem Staunen (mal wieder) nicht heraus. Neben Amuletten, Kartendecks, Büchern, indianischem Schmuck und Gewürzen boten die Verkäufer ihren Kunden wunderbar exotische Produkte an wie Aura-Fotografie, Lichtwesen-Essenzen und magische Öle. Man konnte sogar an Hexen-Vorträgen und Engel-Workshops teilnehmen oder spirituelle Reisen nach Indien buchen.
Natürlich durften auch Berater aus den einschlägigen Astro-Sendungen nicht fehlen, die eine persönliche Zukunftsschau anboten.
»Was ist denn plötzlich mit euch los?«, wollte ich wissen. Anke und Conny waren mit einem Schlag ganz hibbelig und kicherten wie Teenies.
»Da drüben ist unser Lieblingskartenleger aus dem Eso- TV «, raunte Anke mir verschwörerisch zu und zeigte auf einen mittelgroßen, untersetzten Mann mit gerötetem, pausbackigem Babyface. Ihr Flüstern war komplett unnötig, denn der Lautstärkepegel in der Halle war so hoch, dass der gute Mann sie noch nicht einmal mit einem Megaphon verstanden hätte. Meine Freundinnen zogen mich durch die Menschenmenge, bis wir bei dem Kartenlege-Promi angelangt waren, der von Fans umringt wurde und fleißig Autogramme und Visitenkarten verteilte. Ich beäugte ihn unauffällig von der Seite. Mit seinem blond gesträhnten Haar und dem fliederfarbenen Hemd passte er perfekt in die Kategorie »schwuler Friseur«. Diese Einsicht behielt ich für mich. Anke und Conny strahlten und ließen es sich nicht nehmen, ihrem Idol persönlich die Hand zu schütteln. Plötzlich hielt der Typ auch mir die Hand entgegen und stellte sich mit seinem Namen vor. Auch wenn ich nicht sonderlich darauf erpicht war, nahm ich höflich seine schlaffe, schwitzige Hand und wunderte mich über diesen seltsamen Namen. Und dann fiel mir ein, wo ich ihn schon mal gehört hatte. Ich hatte vor Jahren einen blutrünstigen amerikanischen Spielfilm gesehen, in dem eine Fantasiefigur eben jenen Namen trug. Während ich mich noch fragte, ob ich gerade auf den Arm genommen wurde, drückte mir der Star seine Visitenkarte in die Hand. Der Name schien sein voller Ernst zu sein: Gandogar. Ob ich nicht auch mir einen klangvollen Künstlernamen zulegen sollte? »Buffy, die Orakeltante« vielleicht? Ich wandte mich zur Seite,
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