Ich geh jetzt in dein Karma rein
vertraut?
»Und wofür steht der Turm?«, wollte Günter wissen.
»Der Turm steht für ein Amt, ein Gericht, eine behördliche Sache. In diesem Fall steht er für die gerichtliche Scheidung, die natürlich auch als Blockade gesehen werden kann, denn die Beziehung geht hier nicht weiter.«
Lydia fuhr fort mit den Deutungen für die Zukunft sowie den Bedeutungen der Eckkarten und der vier unteren Karten. Ich überlegte währenddessen woher sie wissen konnte, dass der Turm das Symbol für die gerichtliche Scheidung war, wenn er doch auch für eine Blockade stehen konnte. War das ihre persönliche Interpretation? Konnte man das überhaupt so exakt sagen? Ich nahm mir vor, das Lydia später zu fragen.
Erste Seufzer erklangen. Bei Günter und Doris qualmten die Köpfe.
»Ganz schön kompliziert«, bemerkte Doris.
Günter brummte zustimmend.
»Können wir das noch mal wiederholen?«, fragte Doris.
Ich hatte bis dahin alles im Großen und Ganzen verstanden, und auch die beiden Mädels neben mir schienen keine Schwierigkeiten zu haben. Lydia wiederholte die Kurseinheit. Ich bewunderte sie für ihre Engelsgeduld und ihre sachliche Art. Überhaupt war sie ganz anders, als ich mir eine Kartenlegeseminarleitung vorgestellt hatte, bemerkte ich erneut. Mir war keine ältere Frau mit einer Warze auf der Nase und einer schwarzen Katze vorgeschwebt, aber auf jeden Fall jemand mit einer gewissen magischen, spiritistischen Aura. Mit dem Touch einer Yoga-Lehrerin vielleicht, ähnlich wie Ursula Karven eben. Lydias Ausstrahlung hingegen glich einer Mischung aus Sozialarbeiterin und Pastorin, so seriös und vertrauenswürdig wirkte sie. Mir fiel auf, dass Lydia die Einzige war, die bei der Bullenhitze nicht schwitzte, obwohl sie das meiste Körpergewicht von uns allen mit sich herumtrug.
Gegen Mittag und drei Extra-Einheiten über das 8er-Legesystem später machten wir eine Pause und landeten in einer Stehpizzeria. Dort berichtete Doris stolz über ihre Prognosen, die sie ihren Freundinnen mithilfe der Karten vorhergesagt hatte, und dass es dann »auch ohne Ausnahme genau so eingetroffen ist« – ob die Freundinnen es wahrhaben wollten oder nicht. Günter brummte. Außerdem belegte sie den Kurs nur wegen des Zertifikates, schließlich hatte sie schon Angebote von zwei Astro-Lines vorliegen. Lydia nickte ihr anerkennend zu. Ich schmunzelte innerlich und fragte mich, wie häufig sie es wohl mit solchen übermotivierten Kursteilnehmerinnen zu tun hatte.
Nach der Mittagspause wurde es spannend. Lydia erklärte uns die Themenlegung und wie wir die elementaren Bereiche für den Ratsuchenden herausarbeiten konnten. Sollten Themen wie Beziehung, Finanzen, Gesundheit, der Job oder ein Wohnungswechsel eine zentrale Rolle spielen, würden diese Karten entsprechend liegen. Dann durften wir uns eigene Fragen ausdenken und darauf legen. Ich fragte, ob meine Gesundheit stabil bleiben würde. Dazu nahm ich die weibliche Hauptpersonenkarte heraus und legte den Baum als passende Themenkarte für die Gesundheit daneben. Nach dem Mischen platzierte ich fünf Reihen mit je drei Karten untereinander und legte die Abschlusskarte rechts neben das Kartenbild. Ich bekam ein eindeutiges Ja auf meine Frage, was mich einerseits freute, aber gleichzeitig Zweifel in mir aufstiegen ließ, ob ich der Aussage der Karten wirklich vertrauen konnte.
Die zwei Mädels wollten wissen, ob ihr gemeinsamer Urlaub toll werden würde, und erhielten ebenfalls ein Ja.
Günter brummelte unruhig. Ihn interessierte, ob seine Schildkrötenzucht weiterhin erfolgreich sein würde, aber er wusste nicht, welche Karte er als passende Themenkarte auswählen sollte. Eine Orakelkarte mit Schildkrötenmotiv gab es nämlich bei den Lenormand-Karten nicht. Mit Lydias Hilfe kam er letztendlich darauf, dass man ersatzweise das Motiv der Schlange nehmen müsste, da beide der Gruppe der Reptilien angehörten. Hasen waren den Mäusen zuzuordnen, Katzen dem Fuchs, Kühe dem Reiter auf dem Pferd, ein Wolf war identisch mit der Hundekarte, und Pinguine waren mit den Vögeln gleichzusetzen. Günters Prognose fiel ebenfalls positiv aus, durch die Fische-Karte sogar mit dem Hinweis auf einen beträchtlichen finanziellen Zuwachs. Günter gab zufriedene Laute von sich.
Doris kam als letzte Teilnehmerin an die Reihe. Sie zierte sich, angeblich hatte sie keine Fragen, da sie sich bestens auskenne in ihrem Leben.
In der Parteizentrale herrschten mittlerweile Temperaturen wie in einer finnischen Sauna,
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