Ich geh jetzt in dein Karma rein
Stimme der Kundin hatte einen leicht reservierten Unterton, und eine Vorstellung mit ihrem Namen oder eine Begrüßung ihrerseits hielt sie anscheinend nicht für nötig.
Ich: »Gerne. Einen Moment bitte, ich mische die Karten und lege sie nach einem Stopp von dir aus.«
Das Stopp kam recht zügig. Zu zügig für meinen Geschmack. Danach war es totenstill in der Leitung, während ich das Kartenbild legte. Kein Atmen, keine sonstigen Hintergrundgeräusche.
Ich: »So, die Karten liegen, ich schaue dann nach.«
Die Kundin stöhnte auf und dann klickte es. Die Verbindung war unterbrochen.
Ich: »Hallo? Ich kann dich nicht mehr hören!«
Es antwortete niemand. Die Kundin, oder Ashanti, wie sie sich auf dem Portal nannte, hatte aufgelegt. Ich war perplex. Das musste ich nicht verstehen, oder? Wieso ruft man bei einem Berater an, um kurz vor der Beantwortung der Frage aufzulegen? Zumal es sich nicht einmal um ein Gratisgespräch gehandelt hatte. Doch da erhielt ich schon eine E-Mail. Aha, von Ashanti. Ich öffnete sie sofort. Vielleicht gab es ja technische Probleme …
Bianca,
lass es einfach und beschäftige dich mit Dingen, die du wirklich kannst. Denn Kartenlegen kannst du NICHT !!!!!!
Licht und Liebe,
Ashanti (eine Kollegin, die sich auf die hohe Kunst des Kartenlegens versteht)
Zuerst verstand ich den Inhalt der E-Mail nicht und las sie mir ein zweites Mal durch. Warum um alles in der Welt schrieb eine Kollegin mir solch eine E-Mail? Bei so viel Dreistigkeit blieb mir die Spucke weg, allein der Licht-und-Liebe-Zusatz war an gehässiger Ironie kaum zu überbieten. Das Telefon klingelte schon wieder, und ich unterbrach meinen innerlichen Monolog. Das Pop-up-Fenster kündigte mir Kuschelmaus an. Na, hoffentlich war das nicht die nächste Beraterin, die mir die Leviten lesen wollte. Ich begrüßte die Kundin am Telefon und wartete gespannt darauf, was mich nun erwartete.
Kuschelmaus: »Oh hallo, liebe Bianca, ich grüße dich. Hier ist die Ronja. Ich freue mich so, dass ich durchgekommen bin. Und ich bin total aufgeregt, denn das ist mein erstes Gespräch mit einer Kartenlegerin. Ich habe so viele Fragen an dich. Ich hoffe, es stört dich nicht, dass das ein Gratisgespräch ist, aber ich habe es für meinen ersten Anruf geschenkt bekommen, und bei dir stand ja, dass du auch solche Gespräche entgegennimmst.«
Ronja war vor Aufregung ganz außer Atem und plapperte ohne Punkt und Komma. Ich war erleichtert. Erleichtert darüber, dass Ronja-Kuschelmaus (der Name passte) eine stinknormale Kundin war, die mindestens so aufgeregt war wie ich. Ich telefonierte eine geschlagene Stunde mit ihr und beantwortete ihre Fragen so gut ich konnte, bis das Gespräch von der Astro-Line automatisch gekappt wurde. Für die Beratung bekam ich keinen müden Cent, doch das war mir tausendmal lieber, als mich von frustrierten Beraterkollegen anpöbeln zu lassen.
Doch trotz der folgenden ebenso netten Gespräche blieb ein schaler Beigeschmack. Ashanti hatte in mir den Verdacht aufkommen lassen, dass unter den Beratern alles andere als eitel Sonnenschein angesagt war. Viel eher schien mir das Ganze ein erbitterter Kampf um Kunden und Geldbeutel, der mit Licht und Liebe ungefähr so viel gemeinsam hatte wie ein Bulldozer mit einer Elfe.
♈ ☿ 6. Kapitel ♊ ♋
Astro-Berater, die geheimnisvollen Wesen
Ich gewöhnte mich schnell an meinen Nebenjob auf der Line. Er war einfach ungemein praktisch. Man konnte zu jeder Tages- und Nachtzeit beraten. Es war egal, ob die Wohnung aufgeräumt war oder das reinste Chaos herrschte. Ob man noch einen Schlafanzug trug und drei Tage lang nicht geduscht hatte. Ich hätte auch splitterfasernackt die Karten legen können, denn ich beriet ja nur am Telefon.
Ich gewöhnte mich auch daran, dass viele Karten-Kollegen anriefen. Diese Gespräche verliefen zum größten Teil gut. Doch auch weitere Ashantis wählten meine Nummer und wurden nicht müde, mir nicht nur ganz viel Licht und Liebe zu schicken, sondern ebenso viele Bosheiten, die spürbar von Herzen kamen.
Einmal bot mir eine TV -Beraterin an, mich in ihr Team aufzunehmen. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass es Teams auf der Line gab. Zwar hatte ich mich schon über die kleinen Bildchen auf einigen Beraterprofilen gewundert, doch was dahintersteckte, davon hatte ich keinen blassen Schimmer. Jedes Team besitzt einen eigenen Namen und ein bestimmtes Symbol, erklärte mir die Beraterin. Ihr Team hieß Lichtdiamant, und auf den Profilen
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