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Ich geh jetzt in dein Karma rein

Ich geh jetzt in dein Karma rein

Titel: Ich geh jetzt in dein Karma rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianca Wagner
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die Kunst, den Anrufer ohne Skrupel bis zur automatischen Gesprächsunterbrechung in der Leitung zu halten.
    Ja, meine Beraterkollegen beeindruckten mich stets durch ihre Kreativität und ihre TATSÄCHLICHE Motivation, auf einer Astro-Line zu arbeiten.
    Da wäre zum Beispiel Gisela, Mitte fünfzig, geschieden, Mutter von drei Kindern, Hausfrau und ebenfalls Kartenlegerin auf einem Esoterik-Portal. Gisela rief mich mehrmals am Tag an – nicht etwa um mir ständig neue Fragen zu stellen, sondern weil sie parallel als Beraterin online war und zusätzlich auf einer Sex-Hotline ihre Dienste anbot. Unsere Gespräche musste sie oft unterbrechen, um ihren eigenen wahlweise spirituellen oder horizontalen Verpflichtungen nachzugehen. Bei Gisela war Rüdiger das Dauerthema, ein Stammkunde von der Sex-Hotline. Mit ihm hatte sie sich diverse Telefonsex-Gespräche später am letzten Wochenende ganz real getroffen und das mit ihm getan, was sie zuvor schon eingehend am Telefon geprobt hatten: Sex!
    Gisela: »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie toll unser Treffen war. Als er aus dem Zug stieg, dachte ich, ich falle sofort tot um. Er sah tausendmal besser aus, als auf der Webcam.«
    Gisela seufzte tief.
    Ich: »Aha? Vorher habt ihr euch also schon per Cam gesehen? Immerhin wusstest du dann ja, wer da am Bahnhof ankommt.«
    Gisela: »Ehrlich gesagt haben wir uns vor unserem Date schon äußerst genau angeschaut.«
    Gisela kicherte albern.
    Gisela: »Schließlich gibt es auf dem Flirt-Portal auch die Möglichkeit, im Live-Chat miteinander zu reden und sich dabei zu sehen.«
    Nein, liebe Gisela, stopp! Bitte rede bloß nicht weiter! Ich möchte keine weiteren Details erfahren! Ich schüttelte mich und versuchte verzweifelt, mein Kopfkino, das sich gerade verselbstständigte, abzuschalten. La la la, ich denke gar nicht darüber nach. Ich konzentriere mich einfach auf etwas völlig anderes, auf … David Hasselhoffs Auftritt vor dem Brandenburger Tor zum Beispiel. Hastig begann ich, I’ve been looking for freedom in Gedanken vor mich hin zu singen.
    Doch Gisela kannte keine Gnade.
    Gisela: »Wir wussten beide ganz genau, worauf wir uns einlassen. Schließlich hatte er meine Brüste schon vorher oft genug bewundern dürfen und ich habe mich bestimmt auch mehr als zehn Mal von seinem Standvermögen überzeugen können. Was, unter uns gesagt, wahnsinnig beeindruckend ist. Immerhin ist Rüdiger schon 54 Jahre alt! Aber das würde man wirklich nicht denken, wenn man sieht, wie fit er noch ist.«
    Heilige Mutter Gottes, hilf!!! David Hasselhoff entschwand augenblicklich von der Bildfläche, und ein schlüpfriger Low-Budget-Pornostreifen mit Gisela und Rüdiger in den Hauptrollen nahm seinen Platz ein.
    Ich räusperte mich.
    Ich: »Das ist wirklich toll, Gisela. Ich freue mich für dich.«
    Das war natürlich gelogen, denn in Wirklichkeit hätte mich nur eine Sache gefreut: wenn Gisela just in diesem Augenblick einen Anruf bekommen hätte. Aber nein, das Universum hatte wieder mal kein Mitleid mit mir. Verflixt!
    Gisela: »Doch weswegen ich eigentlich anrufe … es gibt da so ein klitzekleines Problem, und ich weiß nicht, wie ich es einordnen soll. Vielleicht kannst du ja ein wenig Licht in die Angelegenheit bringen.«
    Ich: »Gerne. Um was geht es denn genau?«
    Ich war froh, dass mir weitere pikante Details ihres Dates erspart blieben und stellte mich auf harmlose Fragen über Rüdiger ein. Vielleicht hatte er noch eine zweite Beziehung? Ich entspannte mich, das war ich gewohnt. Die üblichen Fragen lauteten dann: Liebt er mich wirklich? Wird er sich von der anderen trennen? Hat er noch etwas mit ihr? Wann kommen wir endlich richtig zusammen?
    Gisela: »Am Sonntag gab es eine sehr merkwürdige Situation. Kurz bevor ich Rüdiger wieder zum Bahnhof gebracht habe, hat er mir 250 Euro in die Hand gedrückt. Ich hatte keine Ahnung wofür. Rüdiger meinte dann nur, dass ich es behalten sollte. Wahrscheinlich wollte er mir damit zeigen, dass er mich nicht ausnutzen will, denn ich habe ja gekocht und er hat auch bei mir übernachtet. Jetzt überlege ich allerdings, ob 250 Euro nicht doch ein bisschen viel sind für ein Wochenende.«
    Nein, liebe Gisela, wahrscheinlich war es für Rüdiger sogar ein echtes Schnäppchen. Sicherlich ist er für ein ganzes Wochenende mit einer Frau schon lange nicht mehr so günstig weggekommen. Einschlägige Etablissements sind mit Garantie viel teurer. Das war klar wie Kloßbrühe, und zwar ganz ohne Karten. Ich

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