Ich geh jetzt in dein Karma rein
eine Kundin einredete und ihr die altbewährten positiven Nachrichten verkaufte.
Ich betrat einen langen Flur mit einem hellen Marmorboden, auf dem Perserteppiche lagen.
»Wenn ich dir das sage, dann kannst du es glauben. Ich sehe keine Trennung, der Mann IST und BLEIBT dein Schicksal … Ja, sehr gerne. Alles Liebe, Ursula! Ciaoi!«
Sie nahm sichtlich entnervt das Headset ab, setzte die Katze auf den Boden und drückte mich an ihren imposanten Busen, wobei mir ihre Worte wieder einfielen: »Das Kartenlegen macht einsam, DICK und alt«.
»Ach Bianca, wie schön, dass du da bist«, sagte sie und drückte mich noch einmal inbrünstig, sodass mir die Luft wegblieb. »Bin ich froh, dass das Gespräch vorbei ist. Eine äußerst nervige Kundin, die mir ständig die gleichen Fragen stellt. Na ja, hast du wenigstens den Weg gut gefunden?«
»Ja, alles gut gefunden«, sagte ich, nachdem sie mich endlich aus ihrer Umarmung freigegeben hatte, und überreichte ihr unpassenderweise eine Schachtel belgischer Pralinen, die ihrer eh schon fülligen Figur den Rest gegeben haben muss. Die Katze strich um meine Beine.
»Das ist übrigens Merlin. Er freut sich immer über Besuch«, bemerkte sie, während wir den Flur entlanggingen. Die Wohnung war blitzeblank gewienert. Längs der Wände standen mannshohe Vitrinen mit kunstvoll auf goldenen Tabletts und in gläsernen Schalen arrangierten Edelsteinen. Ich entdeckte kleine und große Kristallkugeln, silberne Pendel sowie Andromedas eigens entworfene Orakelkarten in kleinen Holzkästchen.
»Ich verkaufe Heilsteine, Kartendecks und allerhand andere Dinge über meinen Internetshop und direkt an meine Seminarteilnehmer«, erklärte Andromeda, der meine neugierigen Blicke nicht entgangen waren. »Du musst wissen, in meinen Workshops lernen die Teilnehmer nicht nur den Umgang mit meinen Orakelkarten, sondern sie lernen auch sich selbst völlig neu kennen. Ich packe ihr Ego genau dort, wo es am meisten wehtut. Jedem Ego-Thema ordne ich dann einen Heilstein zu, und den können sie am Ende des Seminars bei mir kaufen.«
Ich nickte. Praktisch, praktisch. Andromeda entpuppte sich in meinen Augen mehr und mehr als gewiefte Geschäftsfrau, die ihren Kunden ein hervorragend abgestimmtes »Rundum-sorglos-Paket« bot.
»Ich habe nicht erwartet, dass du neben den Beratungen noch etwas anderes machst«, gab ich zu.
»Soll ich dir mal die Seminarräume zeigen? Da wirst du staunen.«
Ich folgte Andromeda durch eine Glastür in einen lichtdurchfluteten Raum mit riesigen Fenstern, der ebenfalls picobello sauber und ordentlich war. In der Mitte befand sich ein dunkler langer Holztisch (ich tippte auf Mahagoni) mit dazu passenden Stühlen. Das überdimensionale Ölbild eines Pfaus schmückte die Wand vor Kopf. Große Kübel mit Birkenfeigen und Zitronenbäumen standen vor den mannshohen Glasfenstern. Dazwischen entdeckte ich einen vor sich hinplätschernden steinernen Springbrunnen, und in einer Ecke befand sich eine beachtliche Buddha-Statue.
»Wow, das sieht wirklich klasse aus.« Ich strich mit meiner Hand über die zweifelsfrei sehr teure Tischplatte.
»Warte ab, bis du die Aussicht von hier oben gesehen hast.« Andromeda winkte mich auf die mindestens 50 Quadratmeter große Dachterrasse. Sie hatte nicht zu viel versprochen. Der Ausblick auf die Skyline der Stadt und den Fluss war ziemlich beeindruckend.
Später bestellte Andromeda Essen bei einem Nobelitaliener für uns und öffnete eine Flasche sündhaft teuren Rotweins, den ich aber brav ablehnte, da ich noch fahren musste. Dann bestand sie darauf, dass ich mit ihr zusammen ihre neueste Spielkonsole einweihte, sie wollte endlich mal gegen einen Menschen und nicht nur gegen einen Computer spielen. Dabei trank sie ein Glas Wein nach dem anderen und – führte gleichzeitig Beratungsgespräche am Telefon. »Damit du mal einen Eindruck bekommst, wie das bei mir so abläuft«, sagte sie. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Andromeda war Multitasking pur.
Je mehr sie trank, desto mehr kam sie in Schwung. Sie sabbelte den Kunden die Ohren voll, ohne Luft zu holen, und ich wunderte mich, dass es bei den Gesprächen rein gar keine konkreten Aussagen über die Zukunft der Anrufer gab. Vielmehr bestanden die Beratungen aus Unterhaltungen über das allgemeine Befinden beider Gesprächsteilnehmer und Sätzen wie »Das sehe ich ganz klar«, »Es ist karmisch bei euch«, »Alles wird gut«, »Ich sehe eine neue Liebe auf dich zukommen« oder »Dein
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