Ich geh jetzt in dein Karma rein
bemerkte ich, dass er immer langsamer sprach und längere Denkpausen einlegte, bevor er weitererzählte. Und dann war es plötzlich still am anderen Ende der Leitung.
Ich: »Axel?«
Hatte er etwa aufgelegt?
Ich: »Hallo Axel? Bist du noch am Telefon?«
Ich horchte angestrengt in den Hörer und vernahm leise Atemgeräusche, gefolgt von zufriedenen Grunzlauten. Ich grinste in mich hinein und legte auf. Da hatten Claudia und Dietmar noch mal Schwein gehabt!
Zu meinen Kunden gehörten jedoch nicht nur betrunkene Männer und überforderte Sängerinnen. Mich riefen auch Ratsuchende an, bei denen eine esoterische Lebensberatung vollkommen abwegig erschien. Ein gutes Beispiel dafür war die Dame mit dem Namen Lebkuchenherz. Sie kam aus Russland, und drei Mal dürfen Sie raten, womit sie ihre Brötchen verdiente. Nein, falsch! Anastasia, alias Lebkuchenherz, war diplomierte Therapeutin. Ich erinnere mich noch genau an ihre ersten Sätze.
Lebkuchenherz: »Hallo, Anastasia spricht. Du wurdest mir vom Service-Team empfohlen. Ich sage dir gleich, ich will nur hören, was du in den Karten siehst und bloß keine Psycho-Scheiße.«
Aha. Das hätte sie mir eigentlich nicht extra sagen müssen.
Ich: »Hallo Anastasia, ich bin grundsätzlich sachlich und verspreche, dir nur zu sagen, was wirklich in den Karten liegt. Wonach soll ich bitte schauen?«
Lebkuchenherz: »Die Liebe. Was sonst? Wie bei allen anderen auch.«
Puh, Lebkuchenherz hatte es in sich. Ich mischte meine Karten und legte sie aus.
Ich: »Kann es sein, dass du verheiratet bist?«
Lebkuchenherz: »Ja. Das interessiert mich aber nicht. Wann kommt was Neues?«
Ich: »Ich sehe hier jemanden, den du bei einem gesellschaftlichen Anlass kennenlernst.«
Lebkuchenherz: »Ach! Kannst du auch sagen, was das für ein Mann ist?«
Anastasias Tonfall klang nun wesentlich freundlicher.
Ich: »Er ist Akademiker, scheint an einer Uni zu arbeiten und viel auf Reisen zu sein.«
Lebkuchenherz: »Gut. Und wann lerne ich diesen Mann kennen?«
Ich: »Das müsste noch in diesem Frühjahr passieren.«
Lebkuchenherz: »Erstaunlich. Das Gleiche hat mir der Astro-Andy auch schon gesagt. Kennt ihr zwei euch zufällig?«
Nun schien sie misstrauisch zu werden.
Ich: »Na, siehst du. Ich kann dir in jedem Fall versichern, dass ich diesen Astro-Andy nicht einmal kenne.«
Lebkuchen: »Okay. Dann werden wir sehen, was passiert. Ich sage dir Bescheid. Ciaoi.«
Ich legte auf. Es war zu hoffen, dass Anastasia die psychischen Erkrankungen ihrer eigenen Klienten nicht als Psycho-Scheiße betrachtete, sondern sie genauso wichtig nahm, wie ich ihr Bedürfnis nach männlicher Abwechslung. Kontaktiert hat sie mich zum Glück nie wieder.
Manche Kunden werde ich wohl meinen Lebtag nicht vergessen. Meistens waren das die liebenswerten Spinner, die in ihrem kleinen Mikrouniversum existieren, ohne dabei andere Menschen zu belangen. Zu dieser Kategorie gehörte auch Fritz, den ich bald heimlich in Arche Fritz umtaufte. Bei seinem ersten Anruf fragte er mich, ob er die Zusage für einen Bankkredit bekam. Ich konnte seine Frage positiv beantworten, und Fritz legte gut gelaunt auf. Einige Wochen darauf rief er mich wieder an. Dieses Mal erzählte er mir von einem Stück Land mit einer Halle darauf in der Nähe von Görlitz, das er einem Bauern abkaufen wollte. Er bat mich für ihn in die Karten zu schauen, ob sein Vorhaben Aussicht auf Erfolg hatte. Fritz hatte Glück, auch dieses Mal konnte ich ihm eine gute Nachricht überbringen. Dann hörte ich sehr lange nichts mehr von ihm, bis er eines Tages erneut am Telefon war.
Ich: »Guten Tag, du sprichst mit Bianca. Was kann ich für dich tun?«
Arche Fritz: »Hallo Bianca, hier ist Fritz. Ich weiß nicht, ob du dich noch an mich erinnern kannst. Wir hatten schon mal telefoniert, wegen einem Kredit und dem Stück Land mit einer Halle, das ich einem Bauern abkaufen wollte.«
Natürlich konnte ich mich erinnern, schließlich hatte sich wie bei jedem Anruf automatisch das Kundenfenster geöffnet, in dem ich meine Notizen zu den vorherigen Gesprächen nachlesen konnte.
Ich: »Ja, ich erinnere mich. Was hast du heute auf dem Herzen?«
Arche Fritz: »Also, zuerst wollte ich dir sagen, dass du auch beim letzten Mal wieder recht hattest. Ich habe das Grundstück bekommen.«
Ich: »Das freut mich für dich.«
Ja, ich freute mich tatsächlich immer noch jedes Mal, wenn sich meine Prognosen bewahrheiteten.
Arche Fritz: »Heute geht es aber um was ganz
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