Ich geh jetzt in dein Karma rein
spielte die Neugier auf die Zukunft bei den Anrufern die größte Rolle. Für meine Kunden waren diese Gespräche etwas Besonderes, das man sich gönnte wie einen Friseurbesuch oder einen Film im Kino. Das ist längst nicht mehr der Fall. Mittlerweile ist der Anruf bei der Astro-Line so alltäglich wie der Kaffee am Morgen. Der persönliche Berater wird in jeder möglichen und unmöglichen Situation angerufen.
Vertriebler heizen mit 220 Kilometer in der Stunde über die Autobahn, während sie sich mithilfe eines Kartenlegers auf ihr nächstes Geschäftsmeeting vorbereiten. Die Assistentin des Geschäftsführers schleicht sich unauffällig in den Konferenzraum, um sich zu erkundigen, ob der Chef für sie seine Familie verlassen wird. Nicht selten werden solche Gespräche abrupt unterbrochen, weil besagter Boss seine Sekretärin/Geliebte beim heimlichen Telefonieren ertappt.
Summa summarum geht es schon lange nicht mehr um den ehrlichen Blick in die Zukunft, sondern schlicht um positives Feedback – egal wie absurd sich die Situation darstellt.
Meine Kundin Daggi war ein besonders hartnäckiger Fall.
Ich: »Hallo. Bianca spricht.«
Daggi: »Hallo Bianca, hier ist die Daggi. Ich brauche mal wieder eine Prognose.«
Wie mehrmals die Woche. Und das seit Monaten.
Ich: »Wie kann ich dir helfen, Daggi?«
Daggi: »Es geht wieder um meinen Herzensmann Erol. Er hat sich bei mir gemeldet, ist zu mir gekommen, wir hatten Sex, und danach wollte er 800 Euro von mir haben. Angeblich muss sein Auto in die Werkstatt.«
Ich: »War beim letzten Mal nicht seine Waschmaschine defekt, und er wollte 500 Euro von dir haben?«
Daggi: »Ja, das stimmt.«
Ich: »Bei Erol scheint ja jede Woche etwas kaputtzugehen.«
Vermutlich führte Erol Buch, damit er nicht mit den Geräten durcheinanderkam.
Daggi: »Er ist richtig beleidigend geworden, als ich meinte, dass ich das Geld nicht habe. Er hat mir vorgeworfen, dass ich ihn belüge und ihm nicht helfen wolle. Und dann hat er gedroht, dass ich ihn nie wieder sehen werde, wenn ich ihn im Stich lasse.«
Mir schwante nichts Gutes.
Ich: »Du hast ihm das Geld doch hoffentlich nicht gegeben!«
Daggi: »Doch, habe ich. Ich bin mit ihm zur Bank gefahren und habe es abgehoben.«
Herr, gib Hirn!
Ich: »Oh nein.«
Daggi: »Was hätte ich denn tun sollen? Mir blieb doch keine andere Wahl!«
Ich: »Natürlich! Du hättest ihn hochkant aus der Wohnung werfen können!«
Daggi: »Aber dann hätte ich ihn nie wiedergesehen. Hat er doch gesagt!«
Mir tat Daggi sehr, sehr leid. Sie durchschaute das Spiel von Erol überhaupt nicht. Gleichzeitig brodelte es in mir. Ich hätte mir Erol am liebsten persönlich vorgeknöpft und ihn sein angeblich kaputtes Auto eigenhändig und zu Fuß von Hamburg in eine Werkstatt in München ziehen lassen.
Ich: »Daggi, ich garantiere dir, dass Erol sich spätestens nach einer Woche wieder bei dir gemeldet hätte. Schon alleine, um zu schauen, ob er nicht doch noch Geld von dir bekommt.«
Daggi: »Meinst du?«
Ich: »Weiß ich!«
Daggi: »Liebt er mich denn wenigstens ein bisschen?«
Diese masochistische Frage stellte Daggi mir bei jedem Gespräch. Und stets erhielt sie von mir die gleiche niederschmetternde Antwort: dass diese Beziehung nichts mit Liebe zu tun hatte, sondern hochgradig krank war. Danach brach sie jedes Mal in Tränen aus, weil sie sich natürlich eine andere Antwort gewünscht hatte. Ihre Hoffnung wollte partout nicht sterben.
Daggi: »Aber das Medium Yasemin hat mir gesagt, dass er mich liebt und dass wir fest zusammenkommen!«
Ich: »Es tut mir wirklich von Herzen leid, die Aussage kann ich nicht bestätigen.«
Daggi: »Aber warum rufe ich dann dauernd an und gebe so viel Geld für die Gespräche mit dir aus, wenn du mir so was sagst? Das zieht mich jetzt echt runter.«
Daggi legte auf, ohne sich zu verabschieden. Das kannte ich schon. Und ich wusste, dass sie spätestens in fünf Tagen wieder anrufen würde. Darin war sie absolut zuverlässig.
Ein stark ausgeprägtes Wunschdenken hatte auch der Kunde Dreamboy, und der Name sagte mehr als tausend Worte.
Dreamboy: »Hallo Bianca, hier spricht der Detlef.«
Ich: »Hallo Detlef. Was führt dich zu mir?«
Dreamboy: »Ich habe in deinem Profil gelesen, dass du eine Kartenlegerin bist, und deine Bewertungen haben mich angesprochen. Kannst du mal bei mir auf die Liebe schauen?«
Ich: »Na klar. Um wen geht es denn bei dir?«
Dreamboy: »Ach, es geht um die Jessi. Die habe ich vor
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