Ich gestehe
sein.«
»Das wäre furchtbar. Barrat ist Vater von 6 Kindern. Alles kleine Kinder. Ist es nicht doch eine Gastritis?«
»Nein.« Gaston schüttelte den Kopf. »Wie gesagt – ich müßte erst röntgen und eine Magenaushebung machen. Aber nach meinen bisherigen Erfahrungen glaube ich bestimmt an ein Karzinom! Wenn es operabel ist, kann man den Mann sofort in Avignon operieren.«
»Und seine Chancen?« Ich sah, wie schwer es Vater fiel zu sprechen.
»Nach der Operation mit einer bestimmt notwendigen Magenverkürzung etwa vier Jahre. Falls sich keine Metastasen gebildet haben. Dann geht es schneller.«
»Also keine Rettung?«
»Eine Verlängerung, Herr Parnasse. Zu mehr reicht es noch nicht bei uns Medizinern. Sie wissen es ja selbst. Krebs – das ist ein Alpdruck für uns alle.«
»Und was soll ich Barrat sagen?« fragte Vater und rang die Hände. »Ich kenne die Barrats – so fleißige, ehrliche Leute.«
»Sagen Sie ihm, daß er nach Avignon fahren soll, um seinen Magen durchleuchten zu lassen. Sie könnten das hier nicht. Unterdessen rufe ich in Avignon bei dem Chefarzt der Klinik an und erkläre ihm meine erste Diagnose. Alles andere nimmt dann seinen Lauf.«
»Alles andere … der Schmerz, das Operieren, die Hoffnung, der neue, größere Schmerz, der Zusammenbruch, die Qual, das Koma und der Tod! Ja, es nimmt seinen Lauf. Wir brauchen uns darum nicht mehr zu kümmern.« Vaters Stimme war bitter. Er faßte Gaston am Ärmel seines Rockes und zog ihn zu sich heran. »Sie sind noch jung. Sie haben eine Zukunft, Dr. Ralbais. Sie sind an einem Institut, das alle Möglichkeiten hat. Sie können noch Tatkraft, Mut, Können, Wissen und Ausdauer einsetzen: Nehmen Sie den Kampf gegen den Krebs auf, kapitulieren Sie nicht, werden Sie nicht gleichgültig, ein routinierter Schneider. Kämpfen Sie! Fordern Sie den Feind zum Kampf! Suchen Sie eine Blöße zu entdecken! Jede Stunde, die dem Kranken mehr geschenkt wird, ist eine Tat für die Menschheit! Ich bin ein alter, müder Mann, ich kann nichts tun, als zusehen, vom Lehnstuhl aus, und hoffen auf die Jugend. Das aber sind Sie und alle jungen Ärzte in der Welt.«
Ich verließ das Zimmer. Gaston, dachte ich. Wenn du mich verlassen willst, wirst du nie dazu kommen, eine Zukunft zu haben. Im Garten traf ich auf Brigit, die tatsächlich die Rosen festband. Sie sah in ihrem Sommerkleid süß aus, so süß, daß ich wieder fühlte, wie sich mir die Kehle zuschnürte.
»Kommst du mit nach Paris?« fragte ich sie.
Sie sah kurz auf. »Aber nur, um den Haushalt mit dir aufzulösen. Außerdem muß ich meine Malsachen holen! Wann fahrt ihr?«
»Morgen.«
»Gut. Und Gaston?«
»Für dich noch immer Dr. Ralbais.«
»Also gut – Herr Dr. Gaston Ralbais.«
»Er fährt natürlich mit. Und er bleibt in Paris. Schließlich ist er dort angestellt.«
»Und schließlich gehört er dir, nicht wahr?« Brigit lachte hämisch. »Bist du so sicher, daß er dir gehört?«
Ich fühlte einen Stich im Herzen, aber ich antwortete nicht darauf. Ich ließ Brigit stehen und wanderte in unseren Weinberg hinein. Dort setzte ich mich auf die niedrige, steinerne Stützmauer, die eine der Weinterrassen abstützt, und blickte hinab auf unser langgestrecktes Haus und auf die träge Durance, die durch die Sonne floß wie geschmolzenes Gold, in dem sich der blaue Himmel und die weißen Federwolken spiegeln.
Ich saß so eine Weile, als sich Gaston neben mir niederließ. Er hatte mich gesucht und war so in den Weinberg geraten. Er sagte nichts, als er mich so in die Ferne starren sah. Er setzte sich und knöpfte den oberen Knopf seines Hemdkragens auf.
»Du hast dich gestern abend schlecht benommen, Gisèle«, sagte er leise. »Brigit ist ein netter Kerl.«
»So?« Mein Atem stockte.
»Sie ist zu jung, um zu begreifen, was sie alles so impulsiv dahersagt. Sie hat sich – wie sagt man bei so jungen Mädchen – sie hat sich in mich verknallt!«
»Dann wäre es jetzt deine Aufgabe, aus diesem Knall einen schönen Brand zu machen. Aus dem netten Kerl …«
»Was du da redest, ist Dummheit, Gisèle.«
»Ich sehe doch, daß sie dir gefällt! Ihre blonden Locken, ihre Jugend, ihre zarte Haut, ihre kleine, runde Brust, so fest wie ein Bordeauxapfel, ihr schlanker Körper, die langen Beine von den schmalen Hüften ausgehend. Sag bloß, du hättest das noch nicht gesehen.«
»Du weißt genau, wen ich liebe.«
»Noch! Noch, Gaston! Du redest es dir ein. Aus einem Gefühl der Moralität heraus! Als
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