Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
kein Fass aufmachen, weil mich das zu wütend stimmt und weil ich dir das in der Schwangerschaft eigentlich noch ersparen will. Nur so viel: Es hat sich zum Glück etwas getan im Rollenverständnis der Frau und Mutter. Wir dürfen theoretisch alles: zu Hause bleiben bei den Kindern oder arbeiten gehen oder beides kombinieren, heiraten oder nicht, homo sein oder patchwork. Leider hapert es dabei in der Praxis. Denn das Rollenbild hat sich zwar geändert, nicht aber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Da gibt es einen gravierenden Widerspruch, der leider weder mit Herdprämien noch mit staatlich subventionierten Putzhilfen zu lösen ist, liebes Deutschland.
Glaub also nicht, dass das mit der Ungleichheit besser wird, wenn du mit deinem Baby erst einmal aus der Entbindungsklinik entlassen bist. In den meisten Familien ist es nämlich immer noch so: Der Mann geht morgens strahlend aus dem Haus, gibt Frau und Kind ein Küsschen auf die Stirn und ruft: »Bis später, ihr Süßen.« Einfach so. Flöt, flöt. Das habt Ihr doch auch so geplant, oder, Caro? Und wenn du dich dann erst einmal an dein Baby gewöhnt hast und dann wieder arbeiten gehst, dann glaub nicht, dass du genauso einfach »Tschüss, Ihr Süßen« sagen wirst. Meine Muttergefühle jedenfalls haben mir spätestens dann immer einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn, was du jetzt noch nicht weißt, aber sicherlich schon ahnst: Du wirst dieses Kindlieben wie nichts zuvor und es wird dir körperliche Schmerzen bereiten, dich auch nur für kurze Zeit diesem wohlhonigriechenden glucksenden Wesen zu entziehen. Vielleicht schaffst du es bis zum nächsten H&M, spätestens dort bekommst du Schweißausbrüche und willst nichts anderes als SOFORT nach Hause. Taaaaaaaaxi! Dies ist ein N-O-T-F-A-L-L.
Die schwedische Autorin Maria Sveland beschreibt diese Gefühle in ihrem Bestseller ›Bitterfotze‹ sehr treffend: »Es ist traurig, aber das Mutterwerden scheint das schwierigste Gleichstellungsprojekt überhaupt zu sein.« In ihrer Verzweiflung plant die Ich-Erzählerin einen fünftägigen Trip nach Paris. Mit ihrer Freundin. Ihr Sohn Sigge ist gerade mal fünf Monate alt. Sie lässt ihn bei seinem Vater Johan. »Paris sollte das Symbol dafür werden, dass mich die Mutterschaft nicht verändert hat. […] Was ich nicht erwartet hatte, waren die ungeheure Sehnsucht und die Schuldgefühle, die Besitz von mir ergriffen, kaum dass das Flugzeug abgehoben hatte. […] Es gab ganz offensichtlich Unterschiede zwischen mir und Johan, und ich denke viel über die Gründe nach. Ich weiß, dass Johan Sigge über alles liebt, aber irgendwie darf er mit weniger Schuldgefühlen als ich lieben. […] Das macht mich neidisch, ich will auch lieben können, ohne mich schuldig zu fühlen, genau wie die Männer. Ja, ich möchte den Kuchen behalten und ihn gleichzeitig aufessen. Ich möchte arbeiten können, reisen, hin und wieder allein und Mutter eines geliebten Kindes sein.«
Damit beschreibt Sveland die Muttermisere des 21. Jahrhunderts. Wir wollen alles. Gleichzeitig. Und dabei allen Ansprüchen gerecht werden. Das GEHT nicht! Erstens, weil wir nicht hundert Dinge gleichzeitig perfekt machen können. Und zweitens, weil es hierfür bei uns noch an der Infrastruktur fehlt, an flexiblen Arbeitszeitmodellen, an Krippenplätzen und vielem mehr.
Ich bin für Fairness in der Partnerschaft, für akzeptable und logische Aufteilungen. Es bringt mir nichts, wenn mein Mann nachts mit aufsteht, nur weil ich stillen muss. Dafür darf er mir morgens aber gern das Frühstück machen und schon mal den Windeltwister leeren. In anderen Gebieten lässt es sich besser gleichberechtigen. Die Hamburger Autorin Rike Drust beschreibtin ihrem Blog »infemme unterstellt« ihr beeindruckendes Modell: »Ich wollte eine finanzielle Entschädigung für die Zeit, in der ich mich exklusiv ums Kind kümmere und in der ich kein Geld verdienen kann. Nicht für das Paar super Stiefel, das ich gerade in meinem Lieblingsladen gesehen habe, sondern für später. Wenn ich mal Rentnerin bin. […] Also haben wir unser ›Vermögen‹ gerecht geteilt.«
Gleiches wünschte ich mir, wenn der Mann zu Hause bleibt und eben die Frau verdient. Denn Gleichberechtigung muss für Frauen und Männer gleichermaßen gelten. Finde ich.
Finden andere aber nicht.
Im niedersächsischen Goslar wurde im Mai 2011 die Gleichstellungsbeauftragte Monika Ebeling abgewählt. Sie fand, dass auch Männer ein Recht auf Unterstützung
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