Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
dann wirst du deinen Finger erheben und zu einem Vortrag ansetzen. Weil du es nämlich besser weißt als sie. Genau wie all die Leute, die dir so auf den Zeiger gehen.
16.
Deutsche Rabenmutter – Warum plagt mich ständig
das schlechte Gewissen?
Hach Lisa,
ich habe es so satt! Da reicht es nicht, dass man als Schwangere (mittlerweile in der 20. Woche!) eh schon den ganzen Gemischtwarenladen der Beschwerden und Wehwehchen hat – nein, man geht zusätzlich auch noch sich selbst gehörig auf den Keks! Denn plötzlich ist nichts mehr, was man macht, für einen selbst (und manchmal auch für andere!) gut genug.
Da steh ich zum Beispiel neulich mit den Kolleginnen in der Tuschelecke neben der Kaffeemaschine und erzähle so nebenbei, dass mein Freund und ich während der Elternzeit mit Baby einen Japan-Trip geplant haben, als ich merke, wie den werten Anwesenden die Augen übergehen.
Was? Habe ich etwa was Falsches gesagt? Eine traut sich dann und fragt neugierig:
»Ach, darf man denn mit so kleinen Babys schon fliegen?«
Und ich stutze kurz und antworte dann: »Nun ja, in manchen Flughäfen verleihen sie sogar Buggys, damit man sie von einem Gate zum anderen schieben kann. Habe ich gehört.«
Gut gebrüllt, Löwe, denke ich dann, doch es nützt alles nichts mehr.
Denn schon ist es mal wieder da: Mein schlechtes Gewissen!
Ist es vielleicht doch total egoistisch von meinem Freund und mir, unsere Fernreisen nicht verschieben zu wollen?
Stresst so ein Langstreckenflug einen Säugling nicht doch enorm? Vielleicht wird er am Ende sogar krank davon?
Und schrecklicher noch: Werde ich etwa eine schlechte Mutter sein?
Echt Lisa, es ist zum Verrücktwerden! Ständig mache ich mir Vorwürfe! Und das wird von Woche zu Woche schlimmer.
Mich plagt mein schlechtes Gewissen:
Wenn ich mir morgens ausnahmsweise mal einen Kaffee MIT Koffein bestelle, weil ich die halbe Nacht wach lag (wie böse!)
Wenn ich zwei Grad heißer als die empfohlenen 38 Grad gebadet habe (Verbrühungsgefahr?)
Wenn ich gerannt bin, um den Bus noch zu erwischen (ich hätte ja stürzen können!)
Wenn ich drei Liter Milch trage (es könnte ja zu schwer sein!)
Wenn ich um 1 Uhr morgens noch aus bin (ich könnte mich ja überanstrengen!)
Wenn ich das leere Schrankfach sehe, das längst mit Baby-Erstausstattung gefüllt sein müsste (wo bleibt mein Versorgerinstinkt?)
Wenn ich drei Stückchen Brokkoli weniger gegessen habe als sonst oder mal ’ne Woche nicht den empfohlenen Fisch gegessen habe (Hilfe, das Baby könnte unterversorgt sein!)
Wenn ich für nächstes Jahr Karrierepläne schmiede (welche Mutter tut so etwas?)
Wenn ich neidisch auf meine Freundinnen blicke, die ausgehen, Sekt trinken und neue Leute kennenlernen (warum bin ich bloß so undankbar?)
Und das sind nur ein paar Beispiele für die kleinen Momente des Alltags, in denen das schlechte Gewissen für Minuten wie ein Lüftchen durch meine Gedankenwelt rauscht.
Richtig übel wird es erst, wenn ein echter Konflikt wie ein Orkan in meinem Kopf aufzieht und mich den halben Tag und dann noch die Nacht völlig vernebelt zurücklässt.
Wie kann ich es zum Beispiel verantworten, nach drei Monaten wieder arbeiten zu gehen? Das wären ja fünfmal acht Stunden, macht 40 Stunden die Woche, in denen ich nicht für meinen Junior da sein werde.
Wird mein Baby dann überhaupt noch zuordnen können, wer seine Mutter ist? Oder wird er denken, die Erzieherin in der Krippe ist Mama?
Wäre ich dann nicht eine Rabenmutter, Lisa?
Ich meine, ich bin in Frankreich aufgewachsen. Dort ist es völlig normal, dass Mütter nach drei Monaten wieder voll arbeiten. Kann ich meinem Kind dann überhaupt eine gute Mutter sein? Sind Französinnen alle Rabenmütter?
Oder was ist mit unseren Eltern, die sich alle paar Tage mal zu einem Popo-Klaps haben hinreißen lassen?
Waren die Rabeneltern?
Und was ist erst mit dem Punkt Ernährung? Klar will ich nur das Beste für mein Baby. Aber ich sehe mich nicht wie die perfekte Hausfrau täglich vier Stunden in der Küche stehen, um selbst Babybreie aus frischem Bio-Gemüse zu kochen. Dafür gibt es doch schließlich die Gläschen im Supermarkt.
Oder sind die etwa alle für Rabenmütter?
Und was ist eigentlich mit dem Thema Windeln?
Da gibt es doch neuerdings eine Gruppe von Querulanten und bestimmt sehr versierten Wissenschaftlern, die auf das Konzept »Windelfrei« setzen. Angeblich sei es gesünder für das Baby und besser für die so wertvolle Mutter-Kind-Beziehung, wenn
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