Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
tristen Alltag zu verlieren.
Seitdem ich 16 Jahre alt bin, gebe ich mindestens ein Drittel meines hart verdienten Geldes als Kellnerin, Auszubildende, Studentin und irgendwann Redakteurin dafür aus, mich wöchentlich in neue Kleider zu hüllen. Nicht jedes Mal eine Rundum-Erneuerung, aber es läppert sich. Da ist zum Beispiel das spontan in der Mittagspause gekaufte H&M-Shirt, weil man nach Feierabend noch ein Date hat und eine Motivationsstütze braucht, das Sneakerspaar am Samstagnachmittag, weil ich eh neue brauchte, oder der sauteure Cashmere-Pullover aus der kleinen Boutique bei mir nebenan, weil er gerade zu meiner Laune gepasst hat. Dazu kommt natürlich das Online-Shopping: Stylebob, Conleys, Colette, Zalando oder auch nicht zu unterschätzen: E-Bay. Ja, E-Bay. Da habe ich übrigens auch das Paar Cowboystiefel gekauft, das ich einst in Neukölln bei einer Tussi, die die Treter verkauft hat, persönlich abgeholt habe.
Nein, Lisa, das ist natürlich nicht alles. Aber: Es war vielleicht der kleinste wichtigste Teil meiner Selbstentfaltung, die ein kleiner Fötus in meinem Bauch ausgelöscht hat.
Denn nun lies, was mir in den letzten Monaten an Elend undZurückweisung widerfahren ist. Fangen wir mal bei meinen Schuhen an. Sie stehen stolz aufgereiht (immerhin 30 Paare!) in einer eigenen Riesenschublade zu Hause bei mir im weißen Ikea-Schrank. In den vergangenen sechs Monaten sind sie, sagen wir, zu einem Relikt aus einer vergangenen Zeit, einem Museumsstück, einer Antiquität ohne Wert verkommen. Ich kann sie ansehen, aber nicht tragen.
Und ich habe es versucht, verdammt!
Meine schicken Pariser Repetto-Ballerinas in Größe 38 waren früher meine unverwüstlichen Alltagsbegleiter. Umso fassungsloser war ich an dem Tag (so ab dem 5. Monat), als ich meine morgens schon angeschwollenen Füße versuchte, unter Schmerzen hineinzudrücken. Ich dachte: Das kann doch nicht wahr sein. Man kann doch nicht 38 tragen und sich eine Woche später im Schuhgeschäft 39,5 bringen lassen. Mittlerweile weiß ich: Schwangere können das.
»Du brauchst bequeme Schuhe«, meinte mein Freund dann, der mein ständiges Genörgel über Fuß- und Rückenschmerzen langsam satt hatte und erkannte, dass Blutrot keine natürliche Hautfarbe für Füße ist.
Widerwillig trottete ich ihm also in den Turnschuhladen hinterher. Das Shopping-Ergebnis: ein hellblaues Paar Nike-Air-Turnschuhe, das mich aussehen lässt (vor allem, wenn ich es zum Blazer trage) wie eine fette Amerikanerin aus Kentucky, die sich zum Betriebsfest in ihrer Dunkin-Donuts-Filiale extra schick machen wollte.
Schlimmer ist es nur bei den Hosen. An meiner Ansage, keine Schwangerenhosen zu tragen, hielt ich die ersten fünf Monate fest. Bis zu dem Tag, als ein pochendes Gefühl meine Beine heimsuchte und sich bis in den Oberbauch zog. Natürlich im Büro. Wehen? Das wäre doch etwas früh. Das konnte nicht sein. Mir wurde ganz heiß im Gesicht. Um mich herum meine nichtsahnenden Kollegen, die mit müden Augen neben mir an den Nachbarschreibtischen arbeiteten. Ich nahm einen Schluck Wasser aus der Flasche, lehnte mich im Bürostuhl zurück, versuchte durchzuatmen, als plötzlich ein stechender Schmerz meinen Magen hochschoss. Ein Gefühl von Panik machte sich in mir breit. Wehen?Eine Sturzgeburt am Arbeitsplatz? Der Krankenwagen braucht statistisch gesehen sieben Minuten. Nein, das durfte nicht sein!
Ich hatte keine Wahl, als zum Äußersten zu greifen: Ich riss mir vor versammelter Mannschaft die Knöpfe meiner Jeans auf und atmete das erste Mal an diesem Tag wieder frei.
Glücklicherweise war das Ganze so peinlich, dass sich selbst die schlagfertigsten Kollegen (wohl aus Fremdscham) keinen Kommentar erlaubten und einfach wegguckten.
Das Erlebnis, am Abend zum ersten Mal in meine neu gekaufte Schwangeren-Jeans zu schlüpfen, war sicherlich einer der besten Momente der letzten Monate.
Weiche Elasthanbaumwolle schmiegte sich um meinen Hintern und meinen Bauch. Ich schwang die Hüfte von links nach rechts und tanzte schließlich meine alten Ballettschritte durchs Zimmer. Kein Ziepen, kein Kneifen – ein kleines Wunder, so eine Schwangi-Hose. Und dazu noch das eingenähte Bauchband, das ich mir bis zum BH ziehen konnte. So warm und weich. Toll! Der beste (Neben-)Effekt: Die Hose macht mir bis heute einen winzig-kleinen Po.
So weit, so gut, könnte man meinen. Nur, dass DIESE Hose und quasi die gleiche in Schwarz alles sind, was ich seit Monaten trage und tragen kann
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