Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
Gärten, von allem, was wir schön finden – ohne darauf zu achten, ob das, was wir schön finden, bezahlbar ist oder stilistisch zusammenpasst oder sich planerisch ausschließt. Neben der Analyse unserer Wohnsituation und dem, was wir erzählen, bilden die Fotos die dritte Kategorie Informationen, aus denen Sarah ein Bild davon zusammenpuzzeln will, welche Art Haus uns und unseren Bedürfnissen entspricht.
Die Wohnzeitschriften habe ich einer bei einer Wohnzeitschrift arbeitenden Kollegin abgeschwatzt, die Architekturbildbände habe ich ausgeliehen: Im Buchladen hatte ich festgestellt, dass man für den durchschnittlichen Gegenwert von fünf Architekturbildbänden circa zweieinhalb Quadratmeter Eichendielen verlegen lassen kann. Daraufhin beschloss ich, in die städtische Zentralbibliothek zu gehen, die ich seit Jahren nicht besucht hatte, sodass ich mir erst einmal eine neue Jahreskarte ausstellen lassen musste.
Mein Lieblingsbildband ist das Buch Skandinavische Architektur. Von der Einfachheit des Bauens . In dem Bildband sieht man viele Fotos von großen, hellen, leeren Räumen, also das genaue Gegenteil von dem, was man sieht, wenn man in unsere Wohnung kommt. Im Text zu den Fotos steht, dass in der skandinavischen Architektur das aufgeräumte, vom Unwesentlichen befreite Zimmer eine zentrale Rolle spielt, weshalb in einem typischen dänischen oder schwedischen Haus immer viel praktischer Stauraum eingeplant wird. Es gehöre, »gewiss auch der unfreundlichen klimatischen Bedingungen wegen, zur Tradition des skandinavischen Lebens, die Wohnräume nicht mit der Überkleidung zu belasten: Jacken, Mäntel, Mützen und vor allem Schuhe bleiben im Eingangsbereich einer jeden Wohnung zurück. Dieser Bereich dient gleichsam als Schleuse und wird architektonisch auch so angelegt. Darüber hinaus gibt es (…) die feste Einrichtung eines grovingång , eines ›Grobeingangs‹ im Erdgeschoss, der ausgelegt ist für schmutzige Kleidung, für Kinder, die vom Spielen zurückkehren, für Hunde, die im Regen ausgeführt werden müssen, und der die Garderobe mit einem elementar ausgestatteten Badezimmer verbindet.«
Als ich das las, bedauerte ich es sofort wieder, nicht in Dänemark oder Schweden geboren worden zu sein. Dänemark und Schweden schienen mir seit jeher gesellschaftspolitische Sehnsuchtsorte zu sein: Anders als in Deutschland ist es dort längst selbstverständlich, als Mutter zu arbeiten, als Vater Elternzeit zu nehmen, als Kleinkind einen Betreuungsplatz zu bekommen und als Frau mit Konfektionsgröße 42/44 von einheimischen Modedesignern und Verkäuferinnen nicht für eine pervers verfressene Vollschlampe gehalten zu werden.
Jetzt, wo ich weiß, dass die Durchschnittsschwedin auch noch eine Schmutzschleuse besitzt, in der sie sämtliche Spuren der rau-nasskalten nordeuropäischen Natur von den Leibern ihrer Kinder tilgen kann, bevor sie ihnen in der mit geweißten Holzdielen ausgelegten, vom Tischler maßgeschneiderten Küche Köttbullar und Lachsschnittchen serviert und ihnen dazu – auf einem Arne-Jacobsen-Stuhl sitzend – Die Brüder Löwenherz von Astrid Lind-gren vorliest, halte ich Skandinavien für den Himmel auf Erden.
Am Ende des Abends ist das Puzzle so weit fertig, dass Sarah ein Motiv erkennen kann. Besser gesagt: Beide Puzzle sind so weit. Auf dem Puzzle, das zu meinem Mann gehört, erkennt sie ein schlichtes, aber stattliches, eher konventionelles Haus in einem Garten. Das Haus ist mit Parkett ausgelegt und besteht aus anständigen, viereckigen, von Wänden begrenzten Zimmern, von denen einige eher repräsentative Funktion haben und andere für den Rückzug ins Private bestimmt sind. Mein Mann mag es klassisch und will Türen hinter sich zumachen können.
»Du bist eher so der Villentyp«, sagt Sarah.
»Sag’s ruhig! Ich bin ein Spießer«, sagt mein Mann.
Auf dem Puzzle, das zu mir gehört, erkennt man viel Glas und Licht, Ausblicke in weite Landschaften und einen großen Raum, in dem alle möglichen Menschen alle möglichen Dinge tun: Einer kocht, der andere macht Hausaufgaben, zwei sitzen beieinander und reden. Von dem großen, hellen Raum aus gelangt man ebenerdig in verschiedene kleinteiligere Wohnbereiche: Ich bin der Bungalowtyp. Leider passt auf unser rund vierzehn mal vierzig Meter großes Grundstück kein ausreichend großer Bungalow, und statt auf weite Landschaften blickt man auf die Sichtschutzzäune unserer Nachbarn. Egal, ich soll träumen, also träume ich.
»Wenn ich es
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