Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
alte Haus Anfang bis Mitte April weg sein. Mitte März fahren wir für zwei Wochen in den Skiurlaub, den wir gebucht hatten, als wir dachten, wir kaufen gar kein Haus, und den wir nicht mehr stornieren können, weil wir damals Freunde überredet haben, mit uns zu fahren. Die können wir nicht im Stich lassen, sonst haben wir bald ein neues Haus, aber dafür zwei alte Freunde weniger. Bis zum Ferienbeginn in drei Wochen müssen wir den Abriss organisiert haben.
Abends im Bett sage ich zu meinem Mann: »Vor dem Skiurlaub müssen wir dringend neue Handschuhe und Skiunterwäsche für die Kinder und einen Abreißer und neue Schneeketten besorgen. Die alten waren doch kaputt, oder?«
»Ich kümmere mich um die Skisachen und die Handschuhe und die Schneeketten. Wir sollten auch noch mal einen Ölwechsel machen lassen«, sagt der Mann, der versprochen hat, sich in Sachen Hauserwerb um alle Bankdinge zu kümmern.
Wer sich um den Rest kümmert, das haben wir vorab leider nicht geregelt.
»Na gut«, sage ich, »dann kümmere ich mich wohl um den Abriss. Gute Nacht.«
Es ist ein großer Vorteil, wenn man an neue Aufgaben komplett ahnungslos herangeht. Die schlaflosen Nächte stellen sich dann nicht schon vorsorglich ein.
In der Mail, die Katja am Montagmorgen schickt, steht, dass das Haus, bevor es abgerissen werden kann, von den Gas-, Strom-, Wasser-, Telefon- und Kabel- TV -Leitungen getrennt werden muss. Ich müsse bei den jeweiligen Versorgern anrufen und klären, was geschehen muss, damit der sogenannte Leitungsrückbau in die Wege geleitet wird. Außerdem müsse ich die Leitungspläne besorgen: Karten, in denen eingezeichnet ist, wo welche Leitungen auf dem Grundstück verlaufen, damit sie beim Abriss nicht versehentlich beschädigt werden.
Sind die Leitungen gekappt, muss vom Elektriker ein Baustrom- und vom Wasserinstallateur ein Bauwasseranschluss installiert werden.
Außerdem muss eine Baustellenzufahrt errichtet werden – vor dem Abriss, aber erst nachdem die Leitungen getrennt wurden: Die Leitungen liegen unter der jetzigen Pkw-Auffahrt, und wenn aus der gepflasterten Pkw-Auffahrt erst eine asphaltierte Baustellenzufahrt gemacht wurde, kommt an die Leitungen unter der Erde niemand mehr heran. Die Genehmigung zur Errichtung einer Baustellenzufahrt müsse ich bei der Stadt beantragen. Die Stadt schickt dann ein Unternehmen, das die Zufahrt errichtet.
Ich müsse mich außerdem mit dem für unseren Stadtteil zuständigen Wegewart vor dem Grundstück treffen, damit der das Grundstück begutachten und entscheiden kann, eine wie große, wie beschaffene Baustellenauffahrt wir brauchen.
Ach ja, und dann brauchen wir auch noch einen Abreißer.
Ich lese die Mail noch einmal durch. Ich seufze. Ich lege einen Aktenordner an und fange an zu telefonieren.
Ich rufe die Kundenhotline von Vattenfall an.
»Guten Tag, wir haben ein altes Haus gekauft, das wollen wir abreißen, deshalb muss es vom Stromnetz getrennt und ein Baustromanschluss muss errichtet werden. Was muss ich da machen?«
»Ganz einfach, da suchen Sie sich einen Elektriker«, sagt die Hotlinemitarbeiterin, »der macht das dann.«
»O.k.«, sage ich, »danke.«
Ich rufe die Kundenhotline von E.ON Hanse wegen des Gasanschlusses an.
»Da beauftragen Sie einen Klempner«, sagt der Hotlinemitarbeiter, »der macht das dann.«
Ich rufe die Hotline der Wasserwerke an.
»Da nehmen Sie sich einen Installateur.«
Kabel Deutschland und die Telekom teilen mir mit, wir sollten die Kabel, wenn sie gefunden worden sind, einfach aufrollen und an der Grundstücksgrenze lagern.
Ich rufe das Bezirksamt an und lasse mir die Nummer vom Wegewart geben. Ich rufe den Wegewart an und verabrede einen Termin mit ihm.
Ich frage mich, wie man das richtige Abrissunternehmen findet, wenn man vom Hausabreißen keine Ahnung hat. In unserem Freundes- und Bekanntenkreis kursieren Empfehlungen für super Anwälte, billige Umzugsunternehmen, her vorragende Osteopathen, vertrauenswürdige Versicherungsmakler, kompetente Nachhilfelehrer, angesagte Friseure und einfühlsame Paartherapeuten, von einem total tollen Abreißer habe ich noch nie jemanden reden hören. Kein Mensch, den ich kenne, hat schon mal ein Haus abgerissen. Ich werde die Erste sein, die das tut. Ich fühle Panik in mir aufsteigen.
Was ich gut kann: organisieren, schreiben, quasseln, Fragen stellen, Witze machen. Was ich nicht gut kann: mit Handwerkern sprechen. Ich bin eine Frau, die – falls ihre Ehe doch noch in die
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