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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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Zuständiger, »ich weiß, ist schlimm mit denen. Aber was soll man machen?«
    Ich treffe mich mit dem Wegewart. Ich sage: »Und woher bekomme ich einen Straßenbauer, der die Baustellenzufahrt baut?«
    Der Wegwart sagt: »Den beauftrage natürlich ich, da gibt es ausgewählte Unternehmen, mit denen die Stadt zusammenarbeitet. Ich schätze den Preis, schicke Ihnen eine Zahlungsaufforderung, und wenn Sie überwiesen haben, kann’s losgehen. Am Ende wird genau abgerechnet. Ach ja, und wenn Sie fertig sind mit Bauen, dann muss die Baustellenzufahrt natürlich wieder beseitigt werden, auf Ihre Kosten.«
    Er nennt einen Betrag, der mich veranlasst, kurz darüber nachzudenken, ihm eine Affäre anzubieten: Vielleicht würde es dann billiger. Ich denke: Der Bär hat recht. Alles wird privatisiert, überall gelten die Gesetze der freien Marktwirtschaft, Wettbewerb, wohin man schaut, nur das Marktsegment des Baustellenzufahrtbaus in Hamburg ist quasi sozialistisch organisiert: Friss den Asphalt zu unseren Preisen – oder stirb.
    Zum Abschied drückt mir der Wegewart fünf Exemplare eines grünen Formulars in die Hand, den »Antrag auf Erlaubnis zum Überqueren des Gehweges mit Fahrzeugen und auf Herstellung von Gehwegüberfahrt/en«. Irgendwann, falls wir es jemals schaffen, ein Haus zu bauen und einzuziehen, werden wir das brauchen, was der Volksmund »Auffahrt« nennt. Dann werden wir diesen Antrag ausfüllen und abgeben müssen – handschriftlich und in fünffacher Ausfertigung. Nach der Ortsbegehung mit dem Wegewart gehe ich wieder ins Bezirksamt.
    »Ich hatte doch recht. Der Wegewart beauftragt das Unternehmen, das die Baustellenzufahrt errichtet«, sage ich.
    »Hm«, sagte der nette Herr, »ach so.«
    Er druckt mir die nötigen Genehmigungen aus: »Und damit müssen Sie jetzt zur zuständigen Polizeiwache und die abstempeln lassen.«
    Eigentlich, denke ich, müsste ich mich mal an den Schreibtisch setzen und ein bisschen arbeiten, um das Geld zu verdienen, das ich ständig ausgebe, noch bevor der erste Stein auf dem Grundstück bewegt wurde. Ich fahre zu der Wache, die auf der Genehmigung angegeben ist. Es ist die falsche, man schickt mich zur richtigen. Ein Polizist stempelt die Genehmigungen ab. Ich bin auf eine absurde Weise gut gelaunt. Das Abstempeln von Genehmigungen hat etwas wohltuend Altmodisches in Zeiten, in denen man es gewohnt ist, Daten und Informationen elektronisch zu übertragen. Ich will trotzdem wissen, warum die Polizei unsere Genehmigung abstempeln muss. Blöde Frage: »Na, wir müssen doch Bescheid wissen«, sagt der Polizist. »Sonst könnte ja jeder einfach eine Baustellenzufahrt errichten.«
    Katja ruft an.
    »Wir haben uns überlegt«, sagt sie, »dass ihr doch noch mal ein Bodengutachten machen lassen solltet.«
    »Wieso? Wegen des Wassers?«, frage ich.
    Der Boden in jener Gegend, in der unser Grundstück liegt, ist sehr feucht, in den regnerischen Monaten geradezu nass. Der Grundwasserspiegel liegt bei nur ein Meter zwanzig: Wir werden einen aus wasserdichtem Beton gefertigten Keller brauchen, eine sogenannte Weiße Wanne. Angesichts des bevorstehenden Abrisses haben unsere zukünftigen Nachbarn uns mit sorgenvoller Miene gebeten, mit unserer Architektin über die Absicherung der Baugrube zu sprechen. Ich habe die Schreckensvisionen der Nachbarn per Mail an Katja weitergeleitet: »Irgendein Hausbesitzer hat hier in der Straße unterkellert angebaut, während der Kellerbauphase ist dann wegen des hohen Grundwasserspiegels das Erdreich weggerutscht, das Nachbarhaus wurde erschüttert und weist jetzt Risse auf … Also, man fürchtet den Zusammenbruch des Stadtteils, wenn wir einen zwei Meter dreißig tiefen Keller bauen, und bittet um Vorsorge und Rücksichtnahme. Das leite ich jetzt einfach mal an Euch weiter, Ihr werdet schon wissen, was Ihr mit dieser Info anfangt. Neuer Entwurf, haha?«
    Nein, sagt Katja, das Grundwasser sei gar kein Problem. Aber: Falls es – wovon sie natürlich nicht ausgehe – nach Fertigstellung des Neubaus irgendwann zu Rissen oder anderen unerwarteten Mängeln am Mauerwerk komme, sei es immer besser, ein solches Bodengutachten vorlegen zu können. Im Rahmen einer – hoffentlich nicht, aber mitunter leider doch nötigen – Schadensersatzklage gegen die beteiligten Baufirmen würde jeder Richter als Allererstes ausschließen wollen, dass solche Mängel auf nicht berücksichtigte ungünstige, zum Beispiel instabile Bodenbeschaffenheiten zurückzuführen seien.

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