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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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Kundenzentrumsmitarbeiterinnen provozieren könnte. Schließlich sind es Menschen wie wir, Bauherren, die maßgeblich helfen, die Wirtschaft, den Mittelstand, die Zukunft unseres Landes zu sichern. Und ist das Leben nicht viel schöner, wenn man sich mit seinen Mitmenschen mitfreuen kann? Nun wage ich nur noch zu hoffen, dass mein Anliegen keine Panikattacke auslöst.
    Die Kundenzentrumsmitarbeiterin blickt mich traurig an.
    Dann sagt sie leise: »Ja, dann wollen wir mal sehen.«
    Sehr langsam studiert sie den Ausweis und die Notarurkunde, sehr langsam tippt sie auf der Tastatur ihres Computers herum und starrt wieder, diesmal auf den Bildschirm. Sie starrt sehr lange.
    »Oh, oh«, sagt sie, Aufregung vibriert in ihrer Stimme, »das Liegenschaftsbuch ist noch gar nicht aktualisiert, das dauert manchmal ewig, bis die Daten aus dem Grundbuch bei uns im System eingetragen werden. Da stehen ja noch die Vorbesitzer drin.«
    »Und was bedeutet das?«, frage ich bang.
    Man weiß ja, dass beim Bauen alles schiefgeht, was schiefgehen kann.
    »Nun«, sagt die Mitarbeiterin, ihre Stirn legt sich in Falten, sie denkt eine Weile nach, dann verschwinden die Falten wieder. »Eigentlich nichts. Sie müssen nur dran denken, dem Bauantrag als Beleg dafür, dass Sie inzwischen die Eigentümer sind, eine Grundbuchkopie beizulegen. Gut. Ich drucke dann mal die Auszüge aus, das dauert eine Weile, Sie können ja schon bezahlen.«
    Ich zücke mein Portemonnaie.
    »Nein, nicht bei mir«, sagt die Mitarbeiterin. »Ich hole Herrn Seibold, der ist für die Gebühren zuständig.«
    Sie steht auf und verschwindet durch eine Tür hinter dem Schreibtisch, dafür erscheint ein adrett gescheitelter Herr in einem rosafarbenen V-Ausschnitt-Pulli und nimmt an einem vierten Schreibtisch Platz, auf dem ein Schild steht: »Kasse«. Ich bezahle viel Geld für wenig Papier und erhalte eine Quittung, Herr Seibold verschwindet wieder – weiß der Himmel, wohin. Vielleicht erstellt er vor Feierabendbeginn um dreizehn Uhr noch Gebührenbescheide für die drei schriftlichen Anträge, die seine Kolleginnen und Kollegen diese Woche bearbeitet haben.
    Mit der Quittung gehe ich zurück zum Schreibtisch der traurigen Kundenberaterin und warte, bis sie zurückkommt. Ich reiche ihr die Quittung, sie reicht mir die Zettel. Sie wirkt gelöst, geradezu heiter.
    »Ja, dann ist ja alles gut«, sagt sie.
    Sie nimmt einen Kugelschreiber und malt einen sehr geraden Strich auf einen kleinen Zettel, der neben ihrer Tastatur liegt. Oben auf dem Zettel steht das heutige Datum. Der Strich, den sie gerade gemalt hat, ist der erste Strich des Tages. Es ist kurz vor zwölf.
    Ich starre auf den Strich, ich werde von Mitgefühl überschwemmt: Für mich beginnt etwas ganz Neues, Aufregendes, ein Abenteuer. Diese Kundenberaterin aber muss womöglich noch zwanzig Jahre hier sitzen und den langweiligsten Job der Welt machen, kein Wunder, dass sie so traurig guckt. Die Welt ist ungerecht.

    Baunebenkosten inkl. MwSt.:
    Übertrag 32.404,88 €
    Gebühren Auszug Liegenschaftskataster 30,00 €
    Zwischensumme 32.434,88 €

Jenseits der Komfortzone
    Katja ruft an.
    »Der Bauantrag ist eingereicht«, sagt sie.
    »Super«, sage ich.
    »Ihr solltet euch allmählich mal über den Abriss Gedanken machen.«
    »Stimmt«, sage ich, »da war ja noch was.«
    Nämlich ein dreistöckiges, voll unterkellertes, massives altes Backsteinhaus samt Doppelgarage und gepflastertem Garten, das lästigerweise dort herumsteht, wo unser neues Haus stehen soll. Wenn mit dem Bauantrag alles glattgehe, sagt Katja, solle Ende April, Anfang Mai mit den Bauarbeiten begonnen werden.
    »Wir könnten uns natürlich um den Abriss kümmern und euch das dann nach Stundenaufwand in Rechnung stellen.«
    Stimmt ja, denke ich, Architekten werden fürs Häuserbauen bezahlt, nicht fürs Häuserabreißen – üblich ist ein Honorar in Höhe von zehn Prozent der Bausumme. Häuserabreißen kostet extra. Extrakosten sind ein heikles Thema, wenn man vorhat, ein Haus zu bauen.
    »Oder ihr organisiert das selbst«, sagt Katja.
    »Gut«, sage ich, »das machen wir dann am besten selbst.«
    Abreißen, denke ich, kann ja nicht so schwer sein. Schließlich geht es beim Abreißen nur darum, dass am Ende nichts mehr da ist – beim Herstellen von Nichts kann man ja wohl nicht viel falsch machen. Katja verspricht, mir am Montag eine Mail zu schicken, in der alles steht, was ich wissen muss.
    Wenn Ende April die Bauarbeiten beginnen sollen, muss das

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