Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
oberirdische Backsteinmauer wird entfernt, das Fundament nicht. Ich weiß, das ist nur ein Teilsieg, aber immerhin – für mehr fehlt mir die Konfliktkondition.
»O.k.«, sage ich.
»Frau Karnick!«, sagt Herr Yildirim, erstaunlicherweise sieht er jetzt wieder überaus freundlich aus, wie jemand, der aus strategischen Gründen Missmut und Strenge vortäuschen musste und nun, wo das Spiel offiziell beendet ist, seine gute Laune nicht länger zu unterdrücken braucht. »Wenn Chef das sagt«, sagt Herr Yildirim und nickt mir anerkennend zu, »o.k.«
Wir treffen uns ein drittes Mal, nachdem die Mauer weg ist. Herr Yildirim reicht mir das Abnahmeprotokoll. In dem Protokoll steht, dass zu den Abrisskosten zweihundertfünfundachtzig Euro Extrakosten hinzukommen. Die Architektinnen hatten vorgeschlagen, ich solle Herrn Yildirim bitten, irgendeine Grube in den Vorgarten zu baggern, die der Klempner brauche, um an irgendwelche Wasserrohre zu kommen. Herrn Yildirims Bagger stünde doch sowieso ge rade auf dem Grundstück herum, während der Klempner seinen Bagger extra dorthinkarren müsste – das würde sicher teurer. Ich starre auf das Abnahmeprotokoll und bin mir gar nicht mehr sicher, ob das teurer geworden wäre. Zweihundertfünfundachtzig Euro für ein Loch?
»Frau Karnick«, sagt Herr Yildirim und strahlt, »ist großes Loch, hat zwei Stunden gedauert. Bagger plus Baggerführer kostet hundertzweiundvierzig Euro fünfzig pro Stunde. Macht zweihundertfünfundachtzig Euro insgesamt.«
Ich kann nicht mehr. Ich unterschreibe. Ich denke: Wusste ich doch, dass ich für solche Aufgaben nicht die Richtige bin. Aber ich hab’s wenigstens versucht.
Baunebenkosten inkl. MwSt.:
Übertrag 37.336,03 €
Abriss 12.000,00 €
2 Std. Kettenbagger inkl. Bedienung 285,00 €
Zwischensumme 49.621,03 €
Bombenstimmung
Noch vor dem Abriss haben wir den Bescheid erhalten, dass der für unseren Stadtteil zuständige Bauprüfer den Bauantrag wie eingereicht genehmigt hat. Warum auch nicht?
Der städtische Baustufenplan weist unser Grundstück als »Wohngebiet W2o« aus. Man darf dort Wohnhäuser mit zwei Vollgeschossen und einem ausgebauten Dachboden oder einem Staffelgeschoss errichten. Wir bleiben sogar niedriger als erlaubt. Später erfahre ich, dass es keine Selbstverständ lichkeit ist, dass Bauprüfer Bauanträge wie eingereicht geneh migen. Wenn man Pech hat, erwischt man einen Bauprüfer, der findet, dass es nicht reicht, sich an den öffentlichen Bebau ungsplan zu halten: Er möchte, dass man sich auch an seine privaten Vorstellungen von einer adäquaten Bebauung hält.
Freunde von Freunden erzählten uns, dass sie lange dafür kämpfen mussten, ihr Haus so bauen zu dürfen, wie sie es am schönsten fanden – nämlich wie wir sehr modern und mit einem Flachdach. Das Flachdachhaus sollte in einer besonders gediegenen Wohnstraße in einem der wohlhabenden Hamburger Elbvororte errichtet werden. Die örtliche Baukommission fand, dass ein – zwischen Backsteinhäusern und gelb getünchten Toskanavillen errichtetes – modernes Flachdachhaus das gediegene Straßenbild zerstören würde. Man teilte mit, dass man sich mit der modernen Gesamtanmutung des Hauses eventuell würde abfinden können, falls die Bauherren bereit wären, dem Geschmack der Kommissionsmitglieder ein wenig entgegenzukommen: »Könnten Sie sich vorstellen, Ihr Haus mit einem Giebeldach statt mit einem Flachdach zu bauen?«
Das konnten sich die Bauherren nicht vorstellen. Monatelang stritten sie und der Architekt mit dem Bauausschuss, zum Showdown mussten sie vor dem Ausschuss erscheinen, um vor einem Haufen Hobbypolitiker aus guter Familie ein Plädoyer für zeitgenössische Architektur zu halten. Am Ende hat es dann doch geklappt.
Der genehmigte Bauantrag wäre also eigentlich ein Grund gewesen zu feiern. Leider kann das Haus, das genehmigt wurde, nicht wie genehmigt gebaut werden: Da es nach dem geplatzten Traum vom Keller erheblich umgeplant werden musste, werden die Architektinnen einen zweiten Antrag einreichen müssen – einen Änderungsantrag. Erst wenn auch der Änderungsantrag genehmigt wurde, dürfen wir mit dem Bauen anfangen. Von einem Baubeginn Ende April und einem nächsten Weihnachtsfest im neuen Haus spricht niemand mehr.
Stattdessen kündigen die Architektinnen an, dass sie bald mit uns darüber sprechen werden, was das noch nicht genehmigte Haus tatsächlich kosten wird. Ich denke: schade. Es macht wahnsinnig Spaß, darüber zu
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