Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
nach nicht auf einen Blindgänger stoßen und in die Luft fliegen werden – eine Freigabe der Abteilung Gefahrenerkundung Kampfmittelverdacht bei der Feuerwehr Hamburg, Behörde für Inneres.
Katja erklärt mir außerdem, dass jeder Grundeigentümer auch dann gesetzlich dazu verpflichtet sei, eine solche Freigabe vorlegen zu können, wenn die buddelnden Firmen die Vorlage dieser Freigabe gar nicht verlangen: Fliegt beim Buddeln auf einem nicht freigegebenen Grundstück jemand in die Luft, haftet der Grundeigentümer.
Katja erklärt weiterhin, dass weder sie noch Sarah von all dem bis heute Morgen etwas wussten. Bei den Recherchen, die ich in den kommenden Wochen unter den buddelerfahrenen Mitgliedern unseres Freundes-, Kollegen- und Bekanntenkreises durchführe, stellt sich heraus, dass kein Mensch jemals von dieser Vorschrift gehört hat. Die Freunde, Kollegen und Bekannten lachen sich krumm und scheckig, wenn ich ihnen erzähle, dass sie sich eine amtliche Bombenentwarnung besorgen müssen, bevor sie in ihrem Garten eine Kinderschaukel einbetonieren.
»Also, ein paar Häuser haben wir ja schon gebaut, aber danach hat wirklich noch nie irgendwer gefragt«, sagt Katja.
Sarah schreibt: »Ich habe das Ganze ehrlich gesagt für einen Scherz gehalten.«
Auch unser Abreißer und der Bodengutachter haben nicht danach gefragt. Das allererste Unternehmen, das gefragt hat, ist eines der Unternehmen, von denen Katja ein Angebot für die Erdarbeiten auf unserem Grundstück eingeholt hat – und zwar das mit dem günstigsten Preis. Zu den Geschäftsbereichen dieses Unternehmens gehören nicht nur »Erd- und Tiefbauarbeiten«, sondern zufällig auch die »Kampfmittelbergung«. Ich rufe in der Abteilung Gefahrenerkundung Kampfmittelverdacht bei der Feuerwehr Hamburg an, um zu erfahren, was ich tun muss, um eine Freigabe zu erhalten.
»Sie müssen bei uns einen Antrag auf Gefahrenerforschung und Luftbildauswertung Ihres Grundstücks stellen, können Sie im Internet herunterladen. Bearbeitungszeit wegen großer Nachfrage: ungefähr drei Monate«, sagt der Mann am Telefon.
»Drei Monate?«, rufe ich. »Aber wir wollten in fünf Wochen anfangen zu bauen!«
»Tja«, bedauert der verbeamtete Gefahrensucher am anderen Ende der Leitung.
»Und nun?«, fragt abends mein Mann.
»Nun haben wir drei verschiedene Möglichkeiten«, sage ich. »Erstens: Wir stellen den Antrag, warten drei Monate auf die Freigabe und beginnen noch später als geplant mit den Bauarbeiten.«
»Nicht gut«, sagt mein Mann.
»Zweitens: Wir stellen keinen Antrag, verzichten auf das Ergebnis der Luftbildauswertung und heuern gleich eine Spezialfirma an, die das Grundstück sondiert – mit der großen Gefahr, dass die gar nichts finden und wir sie quasi umsonst bezahlt haben.«
»Auch nicht gut«, sagt mein Mann.
»Drittens: Wir tun so, als wüssten wir von nichts, und hoffen, dass nichts passiert.«
»Weiß nicht, ob das so gut ist«, sagt mein Mann.
Das Problem ist, dass es einen großen Unterschied macht, ob man nichts weiß oder ob man nur so tut, als wüsste man nichts. Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß. Was man nur angeblich nicht weiß, treibt einem Schweißperlen auf die Stirn, wenn man anfängt, darüber nachzudenken.
»Das alte Haus war von 1932, das Nachbarhaus ist noch älter, in der ganzen Straße stehen unversehrte Häuser aus der Vorkriegszeit«, sage ich. »Frau Müller hat ihre Kindheit in dem Haus verbracht, ihre Mutter hat da bis zuletzt gelebt. Die hätten doch wohl gemerkt, wenn ihnen eine Bombe in den Garten gefallen wäre.«
Andererseits: Hatte der Bezirksamtsherr nicht gesagt, die gesamte Fläche auf der gegenüberliegenden Straßenseite sei rot, also eine Gefahrenzone? Am Ende der Straße liegt das Gelände einer ehemaligen Maschinenbaufabrik, womög lich wurden dort kriegswichtige Güter produziert. Vielleicht war die Fabrik Ziel alliierter Luftangriffe? Und vielleicht ist dabei doch eine klitzekleine Bombe unbemerkt in unserem Vorgarten gelandet und wartet nur darauf, explo dieren und irgendeinem armen Bauarbeiter beide Beine zer fetzen zu dürfen? Könnten wir glücklich werden in einem Haus, das auf Blut gebaut ist – mal ganz abgesehen davon, dass die Zahlung einer lebenslangen Invalidenrente unseren Etat sprengen würde?
»Hilft nichts«, sagt mein Mann. »Ohne Freigabe kann ich nicht mehr schlafen. Lass uns einen Antrag stellen und hoffen, dass es schneller geht als angekündigt. Ansonsten müssen wir uns
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