Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
reden, wie das Haus, das man haben möchte, aussehen soll. Darüber zu reden, was das Haus, das man haben möchte, kosten soll, ist bestimmt nicht halb so lustig.
Die bisherigen Planungen beruhen auf Erfahrungs- und Schätzwerten. Auf Grundlage dieser Werte haben wir den Finanzierungskredit beantragt. Jetzt sei es an der Zeit, sagen die Architektinnen, handfeste, verlässliche Zahlen einzuholen: Sie würden nun mit den Ausschreibungen für die ersten großen Baumaßnahmen beginnen. Sobald verbindliche Angebote der verschiedenen Gewerke – Erdarbeiten, Rohbau, Dach, Fenster, Elektrik, Sanitär – vorlägen, müssten wir uns zusammensetzen, die Kosten besprechen, um dann die Aufträge vergeben und spätestens Ende Juni mit den Bauarbeiten beginnen zu können.
Katja formuliert Ausschreibungen und holt Angebote ein, die Tage vergehen und werden von Woche zu Woche wärmer, in der Baugrube beginnen Gras und Unkraut zu wachsen. Ich vertreibe mir die Zeit damit, mich vor den Ergebnissen der Ausschreibungen zu fürchten.
»Nächste Woche kommen die Rohbaupreise«, erwähnt Sarah irgendwann. »Ich bin total gespannt.«
Ich denke: Die Architektin ist gespannt? Entspannt wäre mir lieber. Um mich abzulenken, studiere ich im Internet Küchenhersteller-Rankings, ich wälze Küchenkataloge, führe erste Gespräche mit Küchenstudiomitarbeitern und zerbreche mir vierundzwanzig Stunden am Tag den Kopf darüber, welche Farbe unsere Küche haben soll. Weiß? Schlammfarben? Schilfgrün? Grau? Graugrün?
Ende Mai erreicht mich eine Mail von Katja: »Habt Ihr eine Freigabe vom Kampfmittelräumdienst für Euer Grundstück?«
Beim Stichwort »Kampfmittelräumdienst« fällt mir sofort der Herr aus dem Bezirksamt ein, der mir den »Aufgrabeschein« ausgestellt hat, die behördliche Genehmigung zum Aufbuddeln des öffentlichen Gehweges. Gerade als er die Genehmigung schon unterschrieben und über den Schreibtisch hinweg in meine Richtung gereicht hatte, zog er die Hand mit dem Papier wieder zurück und rief: »Oh, ich habe ja ganz vergessen zu schauen, ob Ihr Grundstück im bombengefährdeten Gebiet liegt.«
»Bitte was?«, fragte ich.
»Na, bevor ich Ihnen erlaube, die Straße aufzugraben, muss ich prüfen, ob es sein kann, dass Sie dabei auf einen Blindgänger stoßen. Aus dem Zweiten Weltkrieg. Da liegt ja noch einiges herum.«
»Um Gottes willen, so etwas gibt es?«, fragte ich.
Womit ich meinte: Klar gibt es so etwas, hört man ja immer wieder im Radio, dass ganze Wohnblocks evakuiert werden müssen, weil bei Straßenarbeiten eine nicht gezündete Bombe gefunden wurde. Aber so etwas gibt es doch wohl hoffentlich nur im Radio, nicht auf unserem Grundstück.
»Und wie wollen Sie das überprüfen?«, fragte ich.
Der Herr tippte auf der Tastatur seines Computers herum und erklärte, dass die Stadt über Luftaufnahmen Hamburgs verfüge, die während des Krieges von den Alliierten gemacht wurden, um ihre Luftangriffe zu dokumentieren. Anhand dieser Luftaufnahmen könne man Gefährdungszonen ermitteln, betroffene Grundstücke würden mit einer entsprechenden Kennzeichnung in eine behördliche Datenbank, das Kampfmittelbelastungskataster, eingetragen: Rot ist schlecht, grün ist gut.
»Und was ist, wenn unser Grundstück rot ist?«
Dann, sagte der Herr, müsse eine auf Kampfmittelerkennung und -räumung spezialisierte Firma anrücken, das Grundstück sondieren und eventuell vorhandene Kampfmittel beseitigen, bevor man uns einen Aufgrabeschein ausstellen könne.
»Und wer bezahlt das alles?«, fragte ich, schreckensstarr.
»Die Sondierung zahlt der Grundeigentümer, die Kampfmittelbeseitigung zahlt die Stadt«, sagte der Herr. »Ah, hier, Ihre Straße, ich hab’s. Hm, gegenüber von Ihrem Grundstück, auf der anderen Straßenseite, ist alles rot, Ihr Grundstück ist weiß. Das heißt, es wurde noch gar nicht erfasst. Warten Sie, ich muss mal nachfragen, ob ich bei Weiß einen Aufgrabeschein ausstellen darf oder nicht.«
Er durfte. Ich nahm erleichtert den Schein und dachte, das Thema »Bomben« wäre damit abgehakt. Falsch gedacht.
Katja erklärt mir, dass viele der Firmen, von denen sie zurzeit Angebote einholt, im Erdboden unseres Grundstücks werden herumbuddeln müssen: die Erdarbeiter, die Rohbauer, der Sanitärinstallateur. Jene Firmen, die tiefer als siebzig Zentimeter unter die Erdoberfläche graben müssen, können zuvor die Vorlage einer behördlichen Bescheinigung verlangen, dass sie dabei aller Wahrscheinlichkeit
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