Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
aufhalst – und zwar nicht aus idealistischen, sondern aus durch und durch materialistisch-hedonistischen Gründen: Bauherren wollen mit dem Bau ihres Hauses nicht die Welt verbessern, sondern nur ihre private Wohnsituation, weshalb Hausbausorgen, so groß und bedrohlich sie für die Bauherren sein mögen, in den Augen Dritter als Luxusprobleme gelten – erst recht, wenn man mit Architekt baut statt ein Fertighaus.
Dass beim Hausbauen nie alles glatt- und oft vieles schiefläuft, dass also wer ein Haus baut bestenfalls unter Dauerstress und schlimmstenfalls unter Existenzangst und chronischen Schlafstörungen leiden wird, gehört zum gesellschaftlichen Kollektivwissen: Niemand kann behaupten, er hätte nicht gewusst, was auf ihn zukommt.
Ein Bauherr ist demnach jemand, der sich aus niederen Motiven sehenden Auges in ein höchst riskantes Abenteuer gestürzt hat. Ich weiß: Als jammernde Bauherrin darf ich von den Nicht-Bauherren um mich herum ungefähr so viel Mitgefühl erwarten wie jemand, der sich erst einen Porsche Cayenne kauft und dann ständig über zu kleine Parkplätze und zu hohe Benzinpreise klagt.
Die eine oder andere Kollegin gibt sich wenigstens ein bisschen Mühe, sich für mich und meine Baukostenkatastrophe zu interessieren: »Wird schon werden«, sagt eine.
Schön wär’s. Aber ohne Lottogewinn oder eine überraschende Erbschaft sehe ich schwarz.
»Manno«, sagt eine andere, »das ist ja doof. Könnt ihr nicht einfach ein Fertighaus draufbauen?«
Nein, können wir nicht. Das Grundstück war unter anderem deshalb schwer zu verkaufen, weil es zu schmal ist für die meisten Standardfertighäuser.
»Mensch«, sagt eine dritte. »Vielleicht hättet ihr doch lieber das alte Haus sanieren sollen? Aber dafür ist es jetzt ja wohl zu spät, oder?«
Stimmt, dafür ist es jetzt wohl zu spät.
Irgendwann nachmittags schlendert ein anderer Kollege vorbei. Der Kollege gibt sich kein bisschen Mühe, sich für mich und meine Katastrophe zu interessieren. Er hört mir kurz beim Jammern zu, dabei sieht er extrem angeödet aus. Dann klopft er mir auf die Schulter, dreht sich um und ruft, während er aus dem Zimmer geht: »Nun dreh mal nicht durch. Du schreibst einfach ein Buch übers Bauen, das kaufen dann die vielen Leute, die wie du über nichts anderes mehr reden und nachdenken, und schon bist du alle Sorgen los.«
Baunebenkosten inkl. MwSt.:
Übertrag 50.883,63 €
Architekturbildband Purissimo 49,95 €
Zwischensumme 50.933,58 €
Wunschschrumpfen
»Ihr könntet den Kamin streichen«, sagt Sarah. »Wir planen den Kaminschacht ein, aber den Kamin selbst lasst ihr später bauen.«
»Auf keinen Fall«, sage ich. »Von einer Wohnküche mit Kamin träume ich quasi seit meiner Geburt!«
»Wir lassen den Carport und das Gerätehaus im Vorgarten weg«, versucht es Sarah.
»Das geht nicht!«, ruft mein Mann: »Wo soll denn dann das Werkzeug hin und meine alte Vespa? Wir haben doch keinen Keller!«
Sarah seufzt.
Als wir vor einer Stunde ihr Büro betreten haben, haben wir einander betont höflich begrüßt, um uns dann an den Konferenztisch zu setzen, Sarah und Katja nebeneinander auf die eine Seite, mein Mann und ich Schulter an Schulter ihnen gegenüber – zwischen ihnen und uns eine breite, rabenschwarz glänzende Tischplatte voller Unterlagen und Wassergläser und die mit Anspannung gesättigte Zimmerluft. Bevor Sarah als Erste das Wort ergriffen hat, haben wir einander kurz und wortlos taxiert und in den Augen auf der anderen Seite des Tisches die jeweils gleiche Botschaft gelesen: Schade, dass jetzt so was kommen muss, wo wir uns doch eigentlich mögen.
»So«, hat Sarah das Gespräch eröffnet, »ich glaube, wir müssen erst mal einiges klären, bevor wir uns die Kosten anschauen.«
»Allerdings«, hat mein Mann gesagt und einmal tief durchgeatmet. Für einen kurzen Augenblick hat er um die Augen herum ein bisschen ausgesehen wie Russell Crowe, wenn er als »Gladiator« das Kolosseum betritt, um seine Gegner zu vernichten. Oh Gott, jetzt wird’s furchtbar, habe ich gedacht, aber statt ein Schwert zu zücken, hat er zum Glück doch nur den Mund aufgemacht.
Was wir, die panischen Bauherren, zu sagen hatten, war das, was wahrscheinlich alle Bauherren ihren Bauträgern, Generalunternehmern, Handwerkern oder Architekten einmal deutlich sagen sollten, also ungefähr dies: »Wir sind keine Millionäre, verdammt noch mal. Mit dem Kauf des Grundstücks und dem Bau dieses Hauses haben wir unsere
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