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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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Handflächen, Daumen gespreizt, auf den Tisch aufstützt. Das muss Herr Dammann sein. Auf dem Tisch hat er große Bögen Papier ausgebreitet, die er aufmerksam studiert – die Bauzeichnungen, wie ich gleich erfahren werde. Alles in allem wirkt Herr Dammann wie ein Feldherr, der ein letztes Mal seine Strategie überdenkt, bevor er seine Männer auf das Schlachtfeld schickt. Ich sage Hallo, Herr Dammann wendet sich mir zu, und ich bilde mir ein, dass er doch tatsächlich ein wenig aussieht wie ein zu groß geratener Napoleon. Ich fasse auf Anhieb Vertrauen zu ihm: Der Rohbau-Napoleon wird alle lauernden Widerstände aus dem Weg räumen und uns zum Sieg führen. Ich reiche ihm die Hand, die er zackig ergreift.
    »Hallo, Sie sind bestimmt Herr Dammann, freut mich, Sie kennenzulernen«, sage ich. »Ich bin die, für die Sie das Haus bauen.«
    »Hallo«, sagt Herr Dammann. »Ich habe extra eine Einladung zur Segelregatta abgesagt, weil ich sehr gerne anfangen würde, Ihr Haus zu bauen. Aber die Baugrube ist nicht tief genug.«
    Das allererste Baubesprechungsprotokoll, angefertigt von Katja, die die Bauleitung für unser Haus übernommen hat, erhalte ich am späten Vormittag per Mail: Der Erdbauer hat die Pläne falsch gelesen. Er wird heute Nachmittag wiederkommen und die Baugrube vertiefen. Weil er dabei die Markierungen der Feineinmessung zerstören wird, muss morgen der Vermesser noch einmal wiederkommen, um die Maße erneut abzustecken. Die Kosten für die erneute Feineinmessung übernimmt der Erdbauer. Der Beginn der Rohbauarbeiten verschiebt sich auf Montag.
    »Das fängt ja gut an«, sage ich zu Jörn.
    »Das geht immer so weiter«, sagt Jörn.
    Sein Haus hat bereits Fenster und ein Dach, es ist »dicht« – angeblich. Heute Morgen hat er entdeckt, dass nach den Regenfällen der letzten Tage nicht nur im Keller Wasser steht, sondern auch im Wohnzimmer. Jörn sagt, das Wasser sei aus der nassen Garage eingesickert, die direkt ans Haus, Wand an Wand mit dem Wohnzimmer, gebaut wurde. Das Garagendach sei immer noch nicht abgedichtet, obwohl es längst abgedichtet sein sollte, aber der Dachdecker habe schon vier Termine platzen lassen.
    »Ich träume davon, jemanden umzubringen«, sagt Jörn. »Nicht aus der Distanz, sondern mit meinen eigenen Händen. Ich möchte jemandem die Gurgel zudrücken, und zwar ganz, ganz langsam.«
    Montagvormittag spaziere ich mit dem Hund zum Grundstück. Auf dem Grundstück stehen ein Bauzaun, ein Bauklo und ein Bauwagen, in der Baugrube wurden Schnüre zwischen den Holzpflöcken gezogen, es ist niemand zu sehen. Es gießt mal wieder wie aus Kübeln. Ich schleiche im strömenden Regen am Bauwagen entlang, ich höre Stimmen, die Tür steht wohl offen, ich schaue vorsichtig um die Ecke in den Bauwagen hinein: Es ist das allererste Mal, dass ich auf unserer Baustelle drei waschechte Bauarbeiter zu Gesicht bekomme, wobei die drei waschechten Bauarbeiter gerade nicht bauen, sondern Kaffee trinken. Sie haben mich noch nicht bemerkt. Es ist elf Uhr, wahrscheinlich die typische Bauarbeiterpausenzeit, denke ich, oder aber es ist der Regen, der sie in den Bauwagen getrieben hat, trotzdem: nicht gerade ein mitreißender erster Eindruck.
    Ich entscheide mich dagegen, einfach wieder davonzuschleichen. Ich denke: Man muss ja als Bauherrin auch mal Präsenz zeigen. Ich schiebe meinen Kopf in den Türrahmen.
    Ich sage: »Guten Morgen!«, und lächele und winke freundlich dazu. Die Bauarbeiter drehen ihre Köpfe in meine Richtung.
    »Hallo«, sage ich, »ich bin die Bauherrin.«
    Irgendwas muss man ja sagen.
    »Hallo«, sagen die Bauarbeiter. Sie sehen nicht sonderlich beeindruckt aus.
    »Scheißwetter, oder?«, sage ich.
    »Jo«, sagt einer der Bauarbeiter. Leider fällt mir nicht ein, was ich sonst noch sagen soll. Also sagt keiner mehr was, bis ich sage: »Na, dann geh ich mal wieder. Frohes Schaffen noch. Tschüss.«
    »Tschüss«, sagt der Bauarbeiter.
    Das mit dem Präsenzzeigen muss ich noch üben.
    Dienstagnachmittag schickt mein Vater eine Mail, ein Handyfoto im Anhang, das unsere verwaiste Baustelle zeigt:
    »Sind gerade an eurem Grundstück vorbeigefahren. Wo sind denn die Bauarbeiter?«
    In der Tat, wo sind die Bauarbeiter? Ich schreibe eine Mail an Katja, Katja antwortet: »Die Bewehrungseisen kommen leider später als gedacht.« Mit Bewehrungseisen ist jenes Stahlgeflecht gemeint, das in den Beton eingegossen wird, um seine Tragfähigkeit zu verstärken – beide Bauteile zusammen ergeben

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