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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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bestätigen, und alles ist gut. Trifft man als Anfänger auf einen Veteranen, so kann das für den Anfänger böse enden. Das ahne ich gleich, als Matthias seine Frau mit dem Ellbogen sanft in die Seite stößt, in unsere Richtung nickt und sagt: »Ihr baut? Gerade angefangen?« Es folgt das Unvermeidliche: »Na, dann mal viel Spaß!«
    Ich denke: Jetzt nicht nachfragen, sonst ist der Abend für uns gelaufen. Aber ich kann es natürlich nicht lassen, die Neugierde siegt.
    »Ihr seid schon fertig?«, frage ich.
    »Ja, wir haben es schon hinter uns. Ja, ja, wir sind fertig …«, sagt Tanja und nickt versonnen. Matthias lächelt dazu das melancholisch-bedeutungsvolle Lächeln jener Menschen, die ein bedrückendes Geheimnis in ihrem Herzen verbergen, dessen Last sie aus Mitgefühl mit ihren Mitmenschen ganz alleine zu tragen gewillt sind. Matthias und Tanja wirken sehr sympathisch, wahrscheinlich denken sie gerade: Jetzt nichts mehr sagen, sonst vermiesen wir ihnen die Partylaune. Aber sie können es natürlich nicht lassen.
    »Und wie weit seid ihr? Rohbau steht schon?«, will Matthias wissen.
    »Nein, gerade dabei, das Erdgeschoss ist fast fertig«, sage ich. »Läuft eigentlich ganz gut.«
    Matthias, der Hausbauveteran, kann nicht mehr an sich halten. Ich verstehe ihn. Er sitzt auf einem riesigen, unter Schmerzen erworbenen Erfahrungsschatz, und der muss jetzt und hier dringend gehoben werden.
    »Ha, der Rohbau!«, ruft er. »Das ist das Einfachste! Da denkt man noch: Was haben die eigentlich alle? Geht doch. Aber ich sage euch: Mit dem Innenausbau, da fängt der Spaß erst richtig an. Beim Innenausbau müssen die Handwerker mit dem zurechtkommen, was die Rohbauer ihnen da hingestellt haben. Na«, versucht er, sich selbst zu bremsen, »wir wollen nicht zu viel verraten, jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen.«
    Schade, denke ich, ich Idiotin hatte schon gehofft, es ginge immer so problemlos weiter wie bisher.
    Nur eine Fast-Katastrophe hat es seit Baubeginn gegeben, ganz am Anfang: Nachdem der Bau der Fundamentverschalung wegen des Regens erst vier Tage vor der Lieferung des Betons begonnen hatte, waren die Zimmermänner unter Zeitdruck geraten. Der Beton war für Freitag bestellt worden, noch am Donnerstagabend um einundzwanzig Uhr hämmerten die Zimmerleute an der Verschalung herum – im Schein einer mickerigen Taschenlampe. Mein Mann und ich hatten sie auf unserer Hunde-Abendrunde entdeckt.
    Zwar gibt es auf unserem Grundstück den Baustromanschluss – einen in einem orangefarbenen Metallschrank untergebrachten provisorischen Stromanschluss mit Anschlüssen für Wechsel- und Starkstrom samt Baustromzähler. Aber offensichtlich hatten die Zimmermänner nicht daran gedacht, einen Baustellenstrahler einzupacken.
    »Die können doch gar nicht ordentlich sehen«, sagte ich. »Wahrscheinlich hauen die die ganze Zeit daneben.«
    »Morgen Nachmittag kommt der Betonmischer«, erklärte einer der Zimmermänner. »Bestellt ist bestellt, der muss seinen Beton loswerden. Wenn die Verschalung bis dahin nicht fertig ist, dann schüttet der Lieferant ihn notfalls aufs Grundstück.«
    Mein Mann und ich baten die Nachbarn um Entschuldigung und um Verständnis für den nächtlichen Lärm und gingen wieder nach Hause, angetan vom Fleiß der Arbeiter, skeptisch hinsichtlich der Qualität solcher Nachtschichtproduktionen. Am nächsten Tag verreisten wir übers Wochenende.
    Nach unserer Rückkehr, am Sonntagabend, fuhren wir zum Grundstück. Nachbar Holger erstattete Bericht: Die Verschalung, genau an der Hausseite, an der noch am Donnerstagabend im Dunkeln herumgenagelt worden war, war beim Einfüllen der Betonmasse fast geborsten. Im allerletzten Augenblick konnte die Schwachstelle mit ein paar Stützpfeilern stabilisiert werden. Dort, wo die Verschalung unter dem Druck der Betonmasse fast gebrochen wäre, war das Holz leicht nach außen gewölbt: Unser Fundament hat eine Beule. Wäre die Verschalung nicht nur fast, sondern ganz gebrochen, sagte Holger, wäre der flüssige Beton ausgelaufen und hätte sich weit über das Grundstück ergossen.
    Seitdem aber ist alles glattgelaufen. Nach dem Fundament wurde die Bodenplatte gegossen. Aus der Bodenplatte ragen an allen möglichen Stellen alle möglichen Rohre heraus, die der Klempner und der Elektriker vor dem Gießen der Bodenplatte verzogen haben: Anschlüsse für die spätere Gas-, Trinkwasser- und Abwasserversorgung; Leerrohre, durch die später Kabel geführt werden; das

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