Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
nicht.
Lieber Gott, denke ich, hoffentlich haben wir solche Probleme nicht.
Ich unterschreibe den Auftrag für die Schadstoffanalyse und beschließe, meinem Mann nichts davon zu erzählen. Es reicht, wenn einer von uns unruhig schläft. Nach einer Woche ist das Ergebnis da.
»Nach der LAGA ›Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen‹ entspricht die untersuchte Probe aufgrund des Gehalts an Blei dem Zuordnungswert Z2. Mit freundlichen Grüßen, SGS Institut Fresenius«, lese ich vor.
»Fresenius!«, ruft unsere Tochter. »Das steht auch immer auf den Nutella-Gläsern! Unser Boden ist von den gleichen Leuten untersucht worden wie unser Nutschi!«
»Bei hundertfünfzig Kubikmetern Abfuhr sind das Mehrkosten von zweitausend Euro«, sage ich.
»Zweitausend Euro? Wir haben doch keine Industrie brache gekauft, das ist Erde aus einem reinen Wohngebiet!«, sagt mein Mann. »Spinnen die?«
Ich erzähle Ulrikes Geschichte, und er sagt nichts mehr, außer: »Muss eigentlich noch jemand vorbeikommen und prüfen, ob sich auf unserem Grundstück Reste frühgermanischer Siedlungen finden, bevor wir anfangen können zu bauen?«
Über die LAGA -Analyse habe ich den Küchentischler völlig vergessen. Zwei Wochen nach dem Termin mit ihm fällt mir auf, dass er sich noch nicht gemeldet hat. Ich verzichte darauf nachzuhaken. Ich denke: Schließlich will nicht ich was von ihm, sondern umgekehrt. Er will einen Auftrag. Offensichtlich liege ich falsch mit dieser Annahme. Er lässt nie wieder etwas von sich hören.
Baunebenkosten inkl. MwSt.:
Übertrag 51.205,58 €
Bodengutachter, Schadstoffanalyse und Baugrubenabnahme 1.236,17 €
Zwischensumme 52.441,75 €
Gleich geht’s los
Anfang Juli wird der geänderte Bauantrag genehmigt. Was in der Zeit danach geschah, das vermag heute niemand mehr zu sagen. Woran lag es, dass es noch einmal sechs Wochen dauerte, bis es losging? War es das Wetter, die Ferienzeit, eine unsichtbare Macht, die den Baubeginn immer wieder verzögerte?
Jedenfalls ist immer irgendetwas, was dazu führt, dass die Architektinnen »darüber noch einmal mit dem Rohbauer sprechen« oder »ein letztes Mal den Statiker draufgucken lassen müssen« und »die Erdarbeiten leider doch nicht nächste Woche anfangen können« und sich darum »der Baubeginn noch ein wenig verschiebt«.
Im Laufe der Wochen weicht unsere erwartungsvolle Vorfreude einer abgestumpften Gleichgültigkeit. Wir müssen oft am Grundstück vorbeifahren, auf dem Rückweg von der Arbeit, vom Einkaufen oder vom Kino. Das Gras steht inzwischen kniehoch darauf. Zuletzt schauen wir kaum noch hin. Nachdem wir ein halbes Jahr an kaum etwas anderes gedacht haben als an den Hausbau, fangen wir an, ihn fast zu vergessen. Es sind die Menschen um uns herum, die uns daran erinnern. Unsere Familie, unsere Freunde und Bekannten, die ab und zu nachfragen, wie es um unser Haus steht. Aber auch fast Fremde.
Spätestens seit dem Abriss scheint der halbe Stadtteil zu wissen, wer das alte Haus gekauft hat, um ein neues zu bauen. Vor dem hiesigen Supermarkt sprechen mich Leute an, die ich bestenfalls vom Sehen, von gemeinsam besuchten Schulfesten und Weihnachtsgottesdiensten kenne.
»Und?«, fragen die Leute. »Wann geht es denn bei Ihnen mal endlich los?«
Oder: »Na, ihr habt ja offensichtlich die Ruhe weg. Oder habt ihr das Bauen aufgegeben?«
Ein Hausbau ist ein öffentliches Ereignis, das die meisten Menschen in der Umgebung – auch ich – aufmerksam zu beobachten pflegen, selbst wenn sie die Bauherren nicht kennen. Zu Recht. Mit jedem neuen oder neu gestalteten Haus verändert sich ein wenig das Gesicht jener Gemeinschaft, die die Bewohner einer Straße, eines Stadtteils oder eines Dorfes bilden. Man verfolgt gespannt, erkundigt sich, redet miteinander darüber: Wie sind die Leute, die dort einziehen werden? Was wird das für ein Haus? Geschmackvoll, hässlich, unauffällig, ausgefallen? Verschönert oder verschandelt es die Gegend? Die Antwort auf diese Frage kann bei ein und demselben Haus völlig verschieden ausfallen, je nach Geschmack. Je unkonventioneller ein Haus, desto gespaltener die Meinungen. Gerade sehr moderne Häuser rufen oft völlig gegensätzliche Reaktionen hervor: Was die einen fantastisch finden, finden die anderen furchtbar.
»Und?«, haben Holger und Andrea, unsere zukünftigen Nachbarn mit dem sehr schönen alten Haus und dem ebenso schönen modernen Anbau, gefragt, nachdem sie die Grundrisse und
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