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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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verkünden kann, also stehen Sarah und Herr Dammann, der Rohbau-Chef, auf unserem Dach. In der Hand halten sie mit Aquavit gefüllte Schnapsgläser, vor ihnen baumelt der Richtkranz an einem am Gerüst befestigten Holzbalken im Nieselregen. Sarah schreit eine schöne, kleine Rede zu uns herab, dann stoßen beide miteinander an, prosten den Gästen zu, die unten vor dem Haus stehen – und schmettern die Gläser mit einer solchen Verve Richtung Boden, dass ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als in tausend Stücke zu zerspringen.
    Zwei Tage vor dem Richtfest rief ich Katja an: »Sag mal, wer besorgt denn eigentlich den Richtkranz? Der Rohbauer oder ihr oder wir?«
    »Nee, den müsst schon ihr mitbringen«, sagte Katja.
    »Oh«, sagte ich. »Mist. Daran habe ich gar nicht gedacht.«
    Gedacht hatte ich immerhin daran, zeitig genug Essen zu bestellen und Bierzeltgarnituren auszuleihen. Wir erwar teten rund vierzig Gäste, Handwerker, Bauexperten wie den Statiker und den Bodengutachter, Familie, Freunde und Nachbarn. Ich hatte beim Bäcker sechzig Brötchen bestellt, beim Fleischer zwanzig Liter Erbsensuppe mit Würstchen und zwei Kilogramm Thüringer Mett.
    Nach dem Telefonat mit Katja gab ich gerade noch rechtzeitig einen Richtkranz beim Blumenhändler in Auftrag, den ich am Morgen des Richtfestes würde abholen können.
    »Lustig bunte oder rot-weiße Kreppbänder?«, wollte die Blumenverkäuferin am Telefon wissen.
    »Warum ausgerechnet rot-weiß?«, fragte ich.
    »Weil das die Farben des Hamburger Wappens sind«, belehrte mich die Verkäuferin.
    »Stimmt. Ich verstehe. Macht man das so?«, fragte ich.
    »Das kann man so machen«, sagte die Verkäuferin. »Ganz wie Sie wollen.«
    Ich entschied mich für die Hamburg-Farben. Das Richtfest, dachte ich, wird die unjugendlichste, uncoolste und unglamouröseste Feier, die ich seit meinem vierzehnten Lebensjahr ausgerichtet haben werde, da kann ein bisschen Lokalpatriotismus auch nicht mehr schaden. Nach dem Anruf im Blumengeschäft fuhr ich in die Metro, um meinen Richtfesteinkaufszettel abzuarbeiten:

Einwegbesteck
Einwegsuppenteller
Einwegbecher
Einwegschnapsgläser
gläserne Schnapsgläser (zum Vom-Dach-Schmeißen)
Servietten
Müllbeutel
4 Pakete Butter (für die Mettbrötchen)
Zwiebeln (für die Mettbrötchen)
Süßigkeiten (für die Kinder)
2 Kisten Mineralwasser
1 Kiste Cola/Fanta/Sprite
3 Kisten Bier
3 Flaschen Aquavit
1 Flasche Jägermeister
    In der Spirituosenabteilung stand ich lange vor dem Regal mit dem Hochprozentigen und packte schließlich vier statt drei Flaschen Aquavit und zwei Flaschen Jägermeister statt einer in den Wagen. Ich hatte noch nie in meinem Leben ein Richtfest gefeiert, ahnte aber, dass eines auf einem Richtfest auf keinen Fall passieren darf: dass der Schnaps ausgeht. Schnapsmangel, dachte ich, brächte die Handwerker bestimmt auf die Idee, man sei ein geiziger und darum unsympathischer Bauherr, mit dessen Haus man sich keine große Mühe geben müsse – brächte also unterm Strich bestimmt noch viel mehr Unglück als ein vergessener Richtkranz oder ein nicht zerbrochenes Schnapsglas. Also lieber zu viel Schnaps als zu wenig. Wird ja nicht schlecht, das Zeug.
    Nachdem sie erfolgreich die Schnapsgläser zertrümmert haben, klettern Sarah und Herr Dammann wieder vom Dach. Die Nachbarin ist so freundlich, Eimer und Über töpfe zu holen, damit ich die vielen Blumensträuße, die ich geschenkt bekommen habe, ins Wasser stellen kann.
    Das Richtfest ist ein informelles Fest. Es reicht, mündlich dazu einzuladen, wobei man die Handwerksbetriebe aus praktischen Gründen meist per Mail informiert – klugerweise mit der Bitte um Rückmeldung, wie viele Mitarbeiter kommen werden. Es gibt einfache Speisen und Getränke, die man aus Plastikgeschirr verzehrt. Von den Gästen wird weder Festkleidung erwartet noch das Mitbringen aufwendiger Geschenke. Eine kleine Aufmerksamkeit haben jedoch die meisten dabei: Blumen, einen Laubaufnehmer, mit dem wir das Laub der großen, alten Eiche, die auf der Straße vor unserem Grundstück steht, werden aufsammeln können, Blumensamen für den neuen Garten, Käsemesser für unsere neue Küche. Von unseren Nachbarn zur Rechten bekommen wir eine selbst gebrannte CD mit Fotos, die sie von ihrem Fenster aus vom Abriss und vom Rohbau gemacht haben. Ich bin verzückt. Die Gäste versammeln sich in unserer zukünftigen Küche, wo wir das Buffet aufgebaut haben.
    Mein Mann, bereits leicht beschwingt durch die Wirkung von

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