Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
ich. Um Himmels willen, wozu braucht man auch noch einen Bus, wenn man ein Haus baut?
»Na, ein Bussystem«, sagt Matthias. »Ein System, über das du deine ganze Haustechnik, Lüftung, Markise, Beleuchtung, zentral steuerst. Da kannst du mit einem Schalter alle Lampen im ganzen Haus ausmachen – sehr praktisch, wenn man Kinder hat, die lassen doch ständig das Licht in ihren Zimmern brennen. Oder du stellst es so ein, dass die Lampen zu verschiedenen Uhrzeiten automatisch an- und ausgehen, zum Beispiel wenn du in den Urlaub fährst. Du kannst auch verschiedene Beleuchtungsszenarien programmieren: Ein Knopfdruck, und du hast Festbeleuch tung, noch mal drücken, und im Wohnzimmer verbreitet sich die Wollen-wir-nicht-mal-wieder-Sex-haben?-Stimmung. Super Sache.«
»Nee«, sage ich. »Ich muss weiter Kerzen anzünden, wenn ich Sex will, und unsere Kinder müssen ihre Lampen weiter selbst ausmachen, wenn sie keinen Ärger wollen.«
»Meinst du, das lernen sie noch, bevor sie ausziehen?«, fragt mein Mann.
»Aber ihr lasst die Beleuchtung vom Lichtplaner entwerfen, oder?«, will Matthias wissen. »Die richtige Beleuchtung ist ja wahnsinnig wichtig für eine schöne Stimmung im Haus, aber davon verstand unser Architekt wirklich gar nichts. Genauso wenig wie von der Elektro- und Energie- und Landschaftsplanung und vom praktischen Bauen überhaupt. Ein wunderbar kreativer Mann, tolle Ideen, toller Entwurf, aber als Bauleiter eine totale Niete, hat tausend Fehler übersehen, die Wandhülle schief zum Hauskorpus und so. Was das angeht, überschätzen sich diese Architekten ja allesamt hoffnungslos selbst. Nehmt euch bloß für alles einen Experten – und auf jeden Fall einen externen Bauleiter.«
»Ach«, sage ich mit matter Stimme, »ich finde, unsere Architektin macht das schon ganz gut.«
Seit der Aussprache anlässlich der befürchteten Kostenexplosion hat es keine neuen Beziehungskrisen zwischen Sarah und uns gegeben. Und mal ganz abgesehen davon, dass wir kein Geld haben, um auch noch einen Lichtplaner, einen Energieplaner, einen Landschaftsgärtner und einen externen Bauleiter zu bezahlen: Ich bilde mir ein, Sarah würde uns auf der Stelle umbringen, wenn wir ihr die Oberaufsicht über den Bau unseres Hauses entziehen würden. Schließlich ist es auch ihr Haus.
Neulich, nachdem Sarah spätnachmittags zu uns nach Hause gekommen war, um mit uns über Türrahmen, Türklinken und Deckenleuchten zu sprechen, sind sie und ich nach der Besprechung zusammen zur Baustelle gefahren. Dort haben wir uns im Dunkeln nebeneinander auf einen Stapel Ytong-Steine gesetzt, wir haben uns unterhalten und mit zwei kleinen Fläschchen Jägermeister auf die Zukunft angestoßen. Manchmal vergesse ich, dass sie keine Freundin ist, sondern unsere Architektin. Neulich hätte ich sie fast zu meinem Geburtstag eingeladen, im letzten Augenblick habe ich es mir anders überlegt: Halt, habe ich gedacht, damit wartest du besser, bis das Haus fertig ist. Falls wir uns irgendwann doch noch richtig in die Haare bekommen müssen, ist es für beide Seiten besser, einander nicht schon den gesamten Freundeskreis vorgestellt und bis morgens um drei miteinander getanzt und gelacht zu haben.
»Prost!«, hat Sarah gesagt. »Auf das Haus! Die Menschen, die dort leben werden, sollen glücklich werden darin!«
Selbst wenn sie uns nicht umbringen würde: Ich will gar keine andere Bauleitung.
Baunebenkosten inkl. MwSt.:
Übertrag 53.640,44 €
Baustrom, 70 € Abschlag/Monat, laut Schlussrechnung am Ende der Bauarbeiten 1.144,26 €
Zwischensumme 54.784,70 €
Richtfest ist nicht alle Tage
Anfang November feiern wir Richtfest. Das Richtfest wird ge feiert, nachdem das Haus fertig gemauert und der Dachstuhl errichtet worden ist. Wir haben keinen Dachstuhl, weil wir ein Flachdachhaus bauen. Unser Richtfest findet statt, nachdem die Betondecke des Obergeschosses gegossen worden ist.
Traditionell ist es die Aufgabe der Zimmerleute, sich zum Auftakt des Richtfestes in den Dachstuhl zu stellen und von dort aus eine kurze Ansprache zu halten, um dem Architekten und den Bauherren zu danken und Gottes Schutz und Segen für das Haus zu erbitten. Nach der Ansprache – dem »Richt-« oder »Zimmermannsspruch« – leert der Redner ein Glas Schnaps oder Wein und wirft es vom Dach herab, wo es zu zerbrechen hat: Bleibt es heil, ist das ein schlechtes Zeichen. Dann wird gefeiert.
Weil wir keinen Dachstuhl haben, gibt es auch keinen Zimmermann, der den Richtspruch
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