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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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ein, zwei Gläschen Aquavit, hält ebenfalls eine kurze Rede, in der er die abgeschlossene Rohbauphase mit der Vorweihnachtszeit vergleicht: »Für uns, meine Frau und mich, war der tägliche Gang zum Rohbau genauso aufregend und schön wie für Kinder das tägliche Öffnen des Adventskalenders im Dezember. Jeden Tag eine neue Wand, ein neuer Fenstersturz, eine neue Türöffnung – eine neue Überraschung, auf und über die wir uns freuen konnten. Danke für Ihre gute Arbeit! Frohes Fest! Das Buffet ist eröffnet!«
    Die erste Party in unserem neuen Haus. Vierzig Menschen in Wintermänteln applaudieren. Ich, ebenfalls schon leicht beschwingt, bekomme einen Kloß im Hals und feuchte Augen: Was für ein großartiger Ehemann, denke ich, der so gefühlvolle, mitreißende Worte für eine Baustelle findet. Ich greife mir eine der Aquavitflaschen und eine Handvoll Einwegschnapsgläser vom Buffet, um damit herumzugehen und dafür zu sorgen, dass auch unsere Gäste möglichst flugs in Feierlaune geraten. Im zukünftigen Flur zwischen Arbeitszimmer und Küche treffe ich Sarah, die mir einen Herrn als Dipl.-Ing. Paul Sarau vorstellt, unseren Bodengutachter. Der Bodengutachter ist ein stattlicher Mann mit Stoppelhaarschnitt und sanftem, fast traurigem Blick: »Hallo, Frau Karnick«, sagt der Bodengutachter. »Ich weiß, Sie mögen mich wahrscheinlich nicht. Ich bin schuld, dass Sie keinen Keller haben. Ich wollte Ihnen sagen, dass mir das alles sehr leidtut.«
    Ich drücke Herrn Sarau einen Schnaps in die Hand: »Schwamm drüber!«, sage ich. »Prost!«
    Wir kippen den Schnaps hinunter.
    »Wissen Sie«, sagt Herr Sarau, »es ist wirklich nicht leicht, Bodengutachter zu sein. Entweder bin ich, wie in Ihrem Fall, der teuer bezahlte Spielverderber. Oder ich sage ›Alles o.k.!‹, dann fragen sich die Bauherren, ob meine Arbeit nicht eigentlich überflüssig war.«
    Jetzt guckt der Dipl.-Ing. Paul Sarau so traurig, dass ich mich beherrschen muss, um ihn nicht in den Arm zu nehmen und tröstend über seinen Kopf zu streicheln. Stattdessen schenke ich erst ihm und dann mir nach.
    »Aber Herr Sarau«, sage ich, »machen Sie sich keine Gedanken darüber, bitte. Sie haben uns vor einem großen Fehler bewahrt. Und unsere Kinder werden Ihnen dankbar sein, dass sie keinen Keller entrümpeln müssen, wenn wir beide mal tot sind. Sie sind ein Held! Prost!«
    »So hat das noch nie jemand zu mir gesagt«, sagt der Bodengutachter. »Prost!«
    Als Nächstes kommt Herr Dammann auf mich zu, ich wedele fröhlich mit der Aquavitflasche, aber Herr Dammann winkt ab und sagt, dass er jetzt leider gehen müsse.
    »Viel Spaß noch heute!«, sagt er. »Und viel Erfolg beim Innenausbau. Übrigens: Ein Richtfest, auf dem es so viel Alkohol gab, habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Alle Achtung, da haben Sie ja was aufgefahren.«
    Ich erröte leicht: »Ich dachte, für ein Richtfest braucht man so viel.«
    »Ach was«, sagt Herr Dammann. »Das war früher, vielleicht ist das auf dem Land auch heute noch so. Aber in der Großstadt? Heutzutage? Da trinken die Männer höchstens ein kleines Bierchen, dann steigen sie um vier ins Auto und fahren artig nach Hause zu ihrer Familie, sonst gibt’s Ärger mit der Frau. Tschüss.«
    Sarah stellt mir noch zwei weitere Herren vor: Herrn Nadler und Herrn Tiedemann. Herr Nadler ist der Chef der Firma »Gebr. Nadler GmbH seit 1962 – Gas, Wasser, Solar« und dort zuständig für das Schreiben von Angeboten und Rechnungen. Herr Tiedemann ist einer seiner Installateurmeister und wird dafür zuständig sein, unser Haus mit Heizung, Wasserleitungen und Sonnenenergie zu versorgen. Herr Nadler, der Chef, ist klein und dick, ein älterer, jovialer Herr mit fast kahlem Kugelkopf, einer kleinen Brille und einem großen Selbstbewusstsein. Herr Tiedemann, der Meister, ist mittleren Alters, schlank und groß, er wirkt schüchtern, besitzt einen dichten Vollbart und einen zu weichen Händedruck. Herr Tiedemann redet wenig, Herr Nadler viel. Nebeneinander wirken sie wie Pat und Patachon.
    »Ich habe Sie gegoogelt«, verrät mir Herr Nadler. »Man will ja wissen, mit wem man es zu tun hat! Sie sind Journalistin, stimmt’s?«
    »Äh. Ja«, antworte ich. Ich finde es ein bisschen komisch, dass der gut sechzigjährige Chef einer Sanitärinstallationsfirma seine Kunden googelt. Richtig komisch finde ich, dass er das seinen Kunden sagt. Katja lacht, als ich ihr davon erzähle.
    »Vielleicht gibt er sich ja besonders viel Mühe, jetzt,

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