Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
wo er weiß, dass du Journalistin bist«, sagt sie. »Schade nur, dass wir Herrn Tiedemann abbekommen haben, bei dem muss man aufpassen, der ist manchmal ziemlich lahm. Wir haben schon mehrere Häuser mit der Firma gebaut, ein großes Hamburger Traditionsunternehmen, mehr als vierzig Mitarbeiter, da hätte es bessere Meister gegeben. Aber nun, keine Angst, ihr müsst euch ja nicht mit dem herumschlagen, das übernehmen wir.«
Um fünf sind alle Handwerker, Experten und die Architektinnen verschwunden. Zurück bleiben ein Kasten Bier, eine Flasche Jägermeister, zweieinhalb Flaschen Aquavit und ein kleiner Haufen Leute aus unserem privaten Umfeld. Immer wenn wir denken, dass sich das Fest gleich auflösen wird, kommt irgendein Verwandter, Freund, Nachbar oder Bekannter, der es jetzt erst von der Arbeit zu uns geschafft hat. Mit jedem neuen Gast stoßen wir an. Es ist kurz vor sieben, als ich zu meinem Mann sage: »Ich glaube, ich muss mal frische Luft schnappen.«
Zwar mangelt es in unserem Rohbau nicht an frischer Luft – das Haus hat schließlich noch keine Fenster, die Küche, in der wir sitzen, besteht nur zur Hälfte aus Mauern, dort, wo eines Tages Glasfronten stehen werden, flattern Bauplanen im Wind, draußen herrscht Novemberklima, irgendetwas unter fünf Grad plus, Nieselregen –, aber mir ist trotzdem danach, kurz vor die nicht vorhandene Tür zu gehen. Ich schaffe es mit Ach und Krach hinter die Küchenwand, schon klatscht ein Schwung Erbsensuppe in den Bausand.
Eine Dreiviertelstunde später liege ich zu Hause im Bett, meine Tochter guckt besorgt und bringt mir die Wärmflasche und einen Pfefferminztee, mein Mann holt einen An zug aus dem Schrank. Der Arme muss noch zu einem Geschäftsessen.
»Danke!«, rufe ich meiner Tochter hinterher. »Und geht nicht zu spät schlafen.«
»Beim Richtfest auf die eigene Baustelle reihern, das bringt bestimmt auch Glück«, sagt mein Mann.
»Vielleicht wachsen dort nächstes Jahr Erbsen, wäre doch schön«, murmele ich. »Und? Wie geht es dir so?«
»Geht so«, sagt mein Mann. »Ich glaube, ich rufe mir besser ein Taxi.«
Dass man sich ein Taxi rufen muss, um von einem Fest heil nach Hause zu kommen, das kennt man, denke ich. Dass man sich ein Taxi rufen muss, um von zu Hause heil zu einem Fest zu kommen, das kommt nicht alle Tage vor.
Baunebenkosten inkl. MwSt.:
Übertrag 54.784,70 €
Geschirr, Verpflegung, Getränke etc. fürs Richtfest 303,06 €
Richtkranz 70,00 €
Taxi 23,00 €
Zwischensumme 55.180,76 €
Winterdepression
Die Katastrophenbilanz nach der Rohbauphase sieht gut aus: Bis auf das Fast-Brechen der Fundamentverschalung ist nur ein einziger, leicht zu behebender Fehler passiert. In der Decke zwischen Erd- und Obergeschoss wurde das Loch für ein Wasserrohr vergessen. Es muss nachträglich gebohrt werden, keine große Sache.
Ansonsten hat Herr Dammann mich kein bisschen enttäuscht: Der Rohbaufeldzug ist reibungslos und zügig verlaufen. Ich habe sogar herausgefunden, wie man Bauarbeiter dazu bekommt, mit einem zu sprechen – mittels Kaffee und Kuchen. Beim zweiten meiner nachmittäglichen Baustellenbesuche hatte ich die Männer gefragt, ob sie einen Kaffee möchten. Gemessen an den Ergebnissen meines ersten Bauarbeiterannäherungsversuchs waren die Reaktionen geradezu euphorisch: »Au ja, das wäre toll, danke.«
Ich fuhr zum nächsten Bäcker und kehrte mit einer Palette Coffee-to-go-Bechern und zwei Platten Butterkuchen zurück. Ich dachte: Bestimmt ist es eine prima Baustellentaktik, mit der Bauleitung zusammen die »good guy, bad guy«-Nummer abzuziehen. Katja ist die Strenge, die meckert, wenn’s sein muss, ich bin die Nette, die den Kaffee bringt. Als die Verschalung für die Zwischendecke gebaut wurde, waren die Arbeiter und ich mental schon fast per Du – jedenfalls scheuten sie sich nicht mehr, mir auch persönliche Fragen zu stellen.
Weil die Betondecke vom Erdgeschoss aus sichtbar bleiben soll, hatten wir uns für eine Bretterverschalung entschieden. Normalerweise wird die Gussform aus großen rechteckigen Holzelementen gebaut und der Beton später überputzt. Für unsere Sichtbetondecke aber wird die Verschalung aus rohen Holzplanken gefertigt, die dicht an dicht nebeneinandergelegt werden. Der gehärtete Beton wird einen Negativabdruck des Holzes bilden, der die Holzmaserung, Astlöcher, die Fugen zwischen den Planken widerspiegelt. Wenn alles klappt, wird unsere Zimmerdecke im Erdgeschoss aussehen wie ein grauer
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